Viele ehrgeizige Bauprojekte sind angeschoben, doch der Plan ist ambitioniert
(LVZ vom 19.02.2020)
Die Kräne drehen sich. Bis Sommer soll sich die Kita-Krise in Leipzig entspannt haben. Dann können die Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihren Sprössling suchen, zwar noch lange nicht aus dem Vollen schöpfen und damit jene Kita wählen, die um die Ecke liegt oder ein besonderes pädagogisches Konzept anbietet. Aber es gibt dann rechnerisch endlich ausreichend Plätze – so verspricht es zumindest die Stadtverwaltung. Doch gilt das auch für Schulen?
Wer sich in vollgestopften Schulhäusern umschaut, bekommt rasch Zweifel, dass Leipzig auf den Geburtenboom angemessen vorbereitet ist. Droht nun die Schulkrise? „Natürlich nicht“, sagt Schulbürgermeister Thomas Fabian (SPD): „Es gibt eine Schulpflicht in Deutschland.“ Die Stadt werde alles tun, um diese zu erfüllen – notfalls zusätzliche Räume in Gebäuden anmieten, die dann kurzerhand zu Unterrichtsräumen umgewidmet werden. „Wir bauen aber so viel neue Schulen, dass dies gar nicht nötig sein wird.“
Dabei steht ein Vorwurf im Raum: Die Stadt hat seit mehreren Jahren die stark anhaltende Bevölkerungsentwicklung unterschätzt. Denn eigentlich ist es doch ganz einfach: Kinder, die 2014 geboren wurden, brauchen 2020 einen Platz in der Grundschule. „Natürlich wissen wir, wie viele Kinder in Leipzig geboren worden sind und wann die in die Schule kommen“, so Fabian. Doch Zuzüge von Familien – auch aus dem EU-Ausland – seien nicht genau zu kalkulieren.
Darüber hinaus wurde das Schulgesetz geändert – Stichwort: niedriger Klassenteiler für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Und: Die Bildungsempfehlung ist für die Eltern nicht mehr bindend. Dadurch wurde in Leipzig die Übergangsquote zum Gymnasium höher. Beide Änderungen steigerten den Bedarf an Unterrichtsräumen. Fakt ist aber auch, dass die Verwaltungsspitze das rasante Wachstum Leipzigs so nicht vorausgesehen hat und eine Zeitlang mit Prognosen danebenlag.
Sofortprogramm wirkt – erste Schulen fertig
Einen Aufschlag hat der Stadtrat daher vor gut zwei Jahren gemacht. Die Verwaltung legte im Mai 2018 ein Sofortprogramm vor, um rasch zusätzliche Schulen bauen zu können. So werden zusätzlich zu den laufenden Maßnahmen noch einmal 155 Millionen Euro investiert, hieß es. Eine Reihe Projekte sind bereits im Bau – die ersten sind oder werden fertig. Mit Schuljahresbeginn 2020/21 gehen gleich drei neue Grundschulen an den Start. So öffnen Neubauten an der Baumannstraße, Gießerstraße sowie am Addis-Abeba-Platz. Nahezu rasant ist am Barnet-Licht-Platz eine neue Oberschule gewachsen, die ebenfalls im Sommer für die ersten Klassen öffnet. Sie wurde in modularer Bauweise mit vorgefertigten Teilen errichtet. Weitere Großprojekte sind im Bau – dazu zählen das Gymnasium an der Karl-Heine-Straße, die künftige Quartiersschule Ihmelsstraße sowie das Gymnasium Schraderhaus.
An vielen Schulen ist dennoch ein Reparaturstau entstanden, der nach und nach abgearbeitet werden soll. Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel der Astrid-Lindgren-Grundschule in Schönefeld. Die hat vor gut zwei Jahren als „vergessene Schule“ Schlagzeilen gemacht. Seitdem gibt es etliche punktuelle Reparaturen am Gebäude und den Stadtratsbeschluss, die benachbarten Schulhäuser in der Volksgartenstraße und Löbauer Straße als Grundschulcampus zu sanieren. Gebaut wird aber frühestens ab Oktober 2021 – ein Haus wird als Interim für die Oberschule Ihmelsstraße benötigt. Erst wenn es leer ist, können die Handwerksfirmen anrücken.
Es gibt aber auch positive Beispiele: Dazu gehört der neue Bildungscampus Grünau, der gerade aus bestehenden Gebäuden von Gymnasium, Oberschule und Förderschule am Miltitzer Weg sowie einem Erweiterungsbau entsteht. „Das sind drei Schulen, die saniert werden. Auch da kommen wir voran“, so der Bürgermeister.
Die Situation bleibt dennoch in ganz Leipzig noch einige Jahre angespannt, räumt Fabian ein. Bis die Neubauten stehen, müssen derzeit alle verfügbaren Unterrichtsräume genutzt werden. Auch mit der Konsequenz, dass es an vielen Grundschulen keine separaten Horträume mehr gibt. Oberschulen und Gymnasien weisen eine sehr hohe Auslastung auf. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels. Im Sommer 2019 hat die Verwaltung einen überarbeiteten Schulentwicklungsplan vorgelegt, der die Entwicklung bis 2030 fokussiert.
Stadt muss 35 Schulen bis 2030 bauen
Rein rechnerisch muss Leipzig bis dahin 16 Grundschulen mit vier Parallelklassen, sieben neue Oberschulen sowie zwölf weitere Gymnasien mit jeweils fünf Parallelklassen zusätzlich errichten. Oder eben vorhandene Häuser aufstocken. Für einige Projekte wie am Bayerischen Bahnhof oder im neuen Wohngebiet am Freiladebahnhof Eutritzsch gab es allerdings noch keinen Spatenstich.
Die Stadt setzt indes verstärkt auf Generalunternehmer wie die Firma Goldbeck. Die stemmt derzeit das Lichtenberg-Gymnasium. Nächstes Großprojekt für 34 Millionen: An der Messe-Allee in Wiederitzsch entsteht eine neue Oberschule für bis zu 1000 Schüler.
Wird das alles rechtzeitig fertig? „Wir rechnen damit, dass wir ab dem Schuljahr 2025/26 über den Berg sind“, betont Fabian. Das heißt, dass ab dann alle Eingangsklassen den Richtkapazitäten entsprechend gebildet werden können. Bis dahin vorhandene Überbelegungen werden dann schrittweise abgebaut. „In einzelnen Schulen kann das bereits früher beginnen oder etwas länger dauern“, so Fabian. Dieses Ziel zu erreichen, setze aber voraus, dass die Maßnahmen wie geplant fertiggestellt werden. „Daran arbeiten wir mit Hochdruck“.
Mathias Orbeck
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.02.2020