Das Stadtgeschichtliche Museum zeigt eine Fotodokumentation von Karla Voigt, die den Umzug dreier Familien 1979 bis 1981 nach Grünau begleitete (LVZ vom 17.04.2019)
Das Leben im Abrisshaus im Leipziger Osten konnte zu DDR-Zeiten ebenso hart wie auch fröhlich sein. Drei Familien hatten das Glück, in den 1980er Jahren eine Neubauwohnung im neu entstehenden Stadtteil Grünau zu ergattern. Die Leipziger Fotografin Karla Voigt hat sie sehr einfühlsam mit der Kamera begleitet und zwischen 1979 bis 1981 festgehalten. Entstanden sind sehr nahe und vor allem ungestellte Aufnahmen, die den DDR-Alltag jener Zeit beleuchten. Zu sehen sind sie momentan in der Studioschau „Von der Kuchengartenstraße nach Grünau“, die im Stadtgeschichtlichen Museum am Böttchergäßchen gezeigt wird.
Wie ein „Roman in Bildern“ erschließen sich die 87 Bilder, von denen man gern mehr sehen möchte. „Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen Menschen mit ihren Sehnsüchten und Wünschen, die auch in der neuen Umgebung ihre gewachsenen sozialen Beziehungen weiter pflegen. Denn sie konnten in ein Haus in Grünau ziehen“, sagt Christoph Kaufmann, der Kurator der Schau.
Oft unzumutbare Wohnungen
Etwa zwei Drittel der Leipziger lebten Ende der 1980er Jahre in Altbauwohnungen. Deren Komfort reichte von ehemals hochherrschaftlich bis unzumutbar. Lediglich 17,8 Prozent des damaligen Wohnungsbestandes ist erst nach 1970 gebaut worden. Die unzureichende Versorgung mit Wohnungen wurde für die DDR-Oberen zur politischen Gefahr. Deshalb wurde 1973 von der Einheitspartei SED das Wohnungsbauprogramm beschlossen. Und auch Leipzig profitierte davon, 1976 erfolgte der erste Spatenstich für Grünau.
Voigt ging „hinter die Türen“
Die Bilder sind schon einzigartig. Es gibt zwar Aufnahmen von der Ostvorstadt, die auch desolate Häuser zeigen. Im Gegensatz zu Karla Vogt sind die meisten Fotografen nicht „hinter die Türen gegangen“, also in die Wohnungen hinein. Sie hatte das Glück, den Umzug einer Hausgemeinschaft im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst zu begleiten. Es war kein Auftragswerk, dennoch mit Schwierigkeiten verbunden. Entstanden sind viele Alltagsszenen von der Wäsche auf dem Hof bis zu Kindern in der Badewanne. Oder eben die Schlüsselübergabe fürs neue Domizil in der Straße der Jugend (heute Ringstraße) und das Einleben in Grünau, wo die Familien plötzlich in den Genuss von Zentralheizung und Bad kamen.
Stadtgeschichtliches Museum
Studioausstellung „Aus der Kuchengartenstraße nach Grünau“ (13.3. – 10.6.2019)
Haus Böttchergäßchen, Böttchergäßchen 3, 04109 Leipzig
Geöffnet: Di. bis So. 10 bis 18 Uhr.
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro
Mathias Orbeck
Quelle: LVZ vom 17.04.2019