Familienkompass 2020: Lob für Elternarbeit, Engagement und Personal – zu Besuch in einer Kindertagesstätte im Leipziger Westen (LVZ vom 06.11.2020)
Durchschnitt – Leipzigs Eltern beurteilen die Betreuung ihrer Kinder in Kitas genau so. Das hat die sachsenweite Umfrage „Familienkompass 2020“ ergeben. Mittelmaß – nicht mehr und nicht weniger. Dabei zählt Sachsen bei der Betreuungsquote der Kinder unter sechs Jahre stets zu den Top fünf im Vergleich der Bundesländer. In Leipzig fällt jedoch eines auf: Eltern aus Grünau-Siedlung bewerten Betreuung und Kita-Qualität auffallend gut. Engagement der Erzieher, Elternarbeit, kindgerechte Ausstattung – der Versuch einer Aufschlüsselung der Ergebnisse in einer Kita der Umgebung.
Der Himmel ist grau an diesem Vormittag. Die Stimmung im Fröbel-Integrationskindergarten am Kulkwitzer See ist jedoch ausgesprochen gut. Besonders viel ist nicht los; es sind Ferien und noch dazu ist Freitag. An normalen Tagen toben hier um die 190 Kinder bis sechs Jahre. 42 von ihnen besuchen die Krippe, 148 den Kindergarten. Trotz dieser großen Zahl an Kindern ist dem Leiter der Einrichtung, Philipp Ay, eines besonders wichtig: „Wir wollen den Kindern so viel Individualität ermöglichen, wie es geht.“
Im Fröbel-Kindergarten sind die Kinder in altersgemischten Stammgruppen organisiert. „Wir sind fest davon überzeugt, dass dieser Ansatz die beste Grundlage für soziales Lernen ist. Die Kinder übernehmen auf natürliche Art und Weise Verhaltensweisen von anderen, älteren Kindern. Die Älteren lernen frühzeitig die Übernahme von Verantwortung. Ähnlich wie in einer Familie“, erklärt Ay.
Engagement auf beiden Seiten
Im Garten herrscht derweil Trubel. Die Kinder toben zwischen Rutsche, Drehkarussell und Tipi. Das 6000 Quadratmeter umfassende Außengelände ist ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Elternarbeit. Im Rahmen eines Arbeitseinsatzes haben die Eltern zusammen mit den Kita-Mitarbeitern aus einer Brachfläche einen weiteren Spielbereich entstehen lassen. Hier haben unter anderem Hochbeete und Schaukel einen Platz gefunden.
Auch sonst läuft es gut zwischen Eltern und Einrichtung. „Im Frühjahr, als die Kitas schließen mussten, haben die Erzieher regelmäßig Kontakt mit unseren Kindern gehalten. Es gab Briefe, Gedichte, Luftballons. Selbst Samen, die wir einpflanzen konnten, hat man uns geschickt“, erinnert sich Kati Rieger.
Die 37-Jährige hat drei Kinder. Zwei von ihnen besuchen aktuell die Kita, das Älteste wurde ebenfalls hier betreut. Außerdem engagiert sich die Baufinanzierungsspezialistin im Elternrat. „Es gibt natürlich auch Meinungsverschiedenheiten, aber darüber wird offen diskutiert“, sagt sie.
Besonders begeistert war sie, dass sich die Kindergarten-Sozialarbeiterin, Manuela Steinbach, bei jedem einzelnen Elternabend vorgestellt hat. Für sie ein klares Zeichen, dass man als Eltern ernstgenommen wird. Das spiegeln auch die Antworten der Eltern im Rahmen der Familienkompass-Umfrage. Für die Wertschätzung der Eltern-Meinung gab es hier eine 1,70 – der durchschnittliche Wert in Sachsen lag bei 2,36.
Insgesamt zählt die Einrichtung 33 pädagogische Mitarbeiter und fünf Kräfte im Bereich Hauswirtschaft. Dass die nicht nur Dienst nach Vorschrift machen, zeigen gemeinsam umgesetzte Angebote wie Flohmarkt, Eltern-Kind-Nachmittage oder aber Kochen mit den Kindern in der hauseigenen Küche. Auch das mag ein Grund sein, warum Eltern aus der Umgebung das Engagement mit der Note 1,3 bewertet haben. Der Sachsen-Durchschnitt liegt hier bei 1,89.
Stichwort Personalmangel
Wie zahlreiche andere Einrichtungen beklagt auch die Fröbel-Kita den Mangel an Personal. „Es gibt qualifiziertes Personal“, so ¬Philipp Ay. „Aber nicht genug.“ Als Einrichtung im Randgebiet von Leipzig und noch dazu in einem Umfeld mit eher schlechtem Ruf müsse man sich als Arbeitgeber auch mehr um die Fachkräfte bemühen, sagt er. Das tut die Einrichtung.
Dazu zählt, dass in der Kita zusätzlich zu den regulären pädagogischen Fachkräften eine Sozialpädagogin, eine Kindergarten-Sozialarbeiterin und eine weitere Fachkraft im Haus arbeiten. Letztere kümmert sich im Schwerpunkt um die alltagsintegrierte Sprachbildung. Finanziert wird dieses zusätzliche Personal teils über den Europäischen Sozialfonds.
Außerdem gibt es zwei Wandergruppen, die ihre Zeit bei fast jedem Wetter draußen verbringen. Mit dem Projekt „Kleine Forscherinnen und Forscher in Grünau“ punktete die Kita beim sächsischen Mitmachfonds. Das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro wird in eine mobile Forscherstation sowie Forschermaterial für den Garten der Einrichtung investiert. Mit all dem versucht die Kita, sich von anderen Einrichtungen abzuheben und bei den Fachkräften zu überzeugen.
Auch bei den Eltern kommt das alles gut an. „Von den Kleinsten bis zu den Großen ist das Angebot toll. Den Spagat zwischen Regelalltag und extra Aufgaben meistert die Kita gut“, findet Mutter Kati Rieger. Die Kleinen scheinen das ähnlich zu sehen. Zwischen Handpuppen und Hochebenen, kuscheligen Leseecken, Kostümen und Konstruktionsspielen haben sie jeden Tag zahlreiche Möglichkeiten, zu machen, worauf sie Lust haben. „Wir richten uns nach den Interessen, Motivationen und Bedürfnissen der Kinder“, sagt Philipp Ay. Wie die Umfrage zeigt, kommt das an.
Weitere Artikel zum Familienkompass 2020 sowie rund um das Thema Familie gibt es auf www.lvz.de/familie
Patricia Liebing
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 06.11.2020