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Wenig beachteter Prachtbau

Neue Broschüre beleuchtet „Ein Schloss in Grünau“ (LVZ vom 19.11.2020)

Zahlreiche historische Bilder: Die Broschüre „Ein Schloss in Grünau“ beleuchtet die prachtvolle Vergangenheit und blickt in die Zukunft. Quelle: Komm e. V.

Altes Rathaus, Nikolaikirche, historische Bürgerhäuser – Prachtbauten in Leipzigs Kern gehören zum touristischen Mainstream. Architektonische Augenweiden in entlegenen Stadtteilen fallen da leicht durchs Raster, selbst bei Ur-Leipzigern. Zu Unrecht, wie die schlossgleiche Villa des Industriellen Rudolf Sack im gern verkannten Stadtteil Grünau belegt. Über Gebäude und Areal ist nun eine Broschüre erschienen.

Über 100 Jahre alte und aktuelle Fotos, eine Chronik, Erzählungen von Zeitzeugen der wechselvollen Geschichte und Dokumente – auf gut 100 Seiten hat die Arbeitsgruppe „Schloss in Grünau“ Material zusammengetragen. „Unsere Ausstellung über die Villa und den Robert-Koch-Park im vergangenen Jahr ist bei den Leuten sehr gut angekommen“, berichtet Evi Müller vom Komm-Verein. „Weil eine Wanderausstellung logistisch arg herausfordernd ist, haben wir uns für die Broschüre entschieden.“

Hinzu kommt, dass es bislang kaum Lesestoff über das seit Jahren kaum genutzte Anwesen gibt, das ein wichtiger Teil Leipziger Industriekultur ist. Von 1910 und 1913 ließ Paul Sack, Sohn des Landmaschinenfabrikanten Rudolph Sack (1824-1900), die Villa errichten.

Historische Aufnahmen fächern die inzwischen weitgehend verwitterte Pracht von Räumen, Festsaal und weitläufiger Anlage auf, viele Abbildungen stammen aus der 1913 erschienenen Festschrift. Hinzu kommen alte Postkarten, Briefe, Grundrisse. Für Lebendigkeit sorgen Erinnerungen wie die von der heute 90-jährigen Grünauerin Ruth Birnbaum, die Interna aus der Sack-Familie kennt. Von „Märchenschloss“ und Paradies“ schwärmen Wolfgang Kranke und Susanne Seufert, die als Kinder in der Villa beziehungsweise im nahe gelegenen Landhaus aufwuchsen.

Blicke in die Zukunft

Die Broschüre rekapituliert die DDR-Zeit ebenso wie die Jahre nach der Friedlichen Revolution, in denen unter anderem Pavillons und Brücken durch Vandalismus beschädigt wurden. Zum Schluss geht der Blick in die Zukunft. Laut Stadtteilentwicklungskonzept soll das Gelände, inzwischen von der Kommune übernommen, stärker für Sport, Kultur und Erholung genutzt werden. Einen Treffpunkt für Kultur und Bildung treibt seit diesem Jahr der Verein Haus Steinstraße als neuer Mieter von Haus 4 voran. Weiterhin stattfinden werden die Kulturwochen im Schlosspark.

Wie schon die Ausstellung, so ist auch das Büchlein stark gefragt. Der Preis liegt mit 5 Euro Schutzgebühr niedrig. „Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern dieses wunderbare Gelände bekannter machen“, begründet Evi Müller.

Erhältlich unter anderem im Komm-Haus (Selliner Straße 17), Stadtteilladen (Stuttgarter Allee 21), Thalia-Buchhandlungen sowie in der Verlagsbuchhandlung Bachmann im Alten Rathaus.

Mark Daniel

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.11.2020