„Carl Heines Vision“ zum Greifen nah …

Interview mit Autorin Kerstin Bierbass – Lesung am 17.07. um 15 Uhr im Stadtteilladen Grünau

Mein Großvater Alfred war in den 30er Jahren einer der ersten Leipziger Arbeiter-Wassersportler, der mit seiner Hilde auf Pleiße und Elster im Boot unterwegs war. Sogar ihre Hochzeitsreise haben die beiden so erbracht. Übernachteten im Zelt und kehrten auf ein Bier ein. Es fließt also eindeutig Seefahrerblut durch meine Adern. Was genau verbindet Sie ganz persönlich mit „Carl Heines Vision“ die Sie gerade zu Papier gebracht haben?

Dr. Ernst Carl Erdmann Heine ist für mich eine faszinierende Persönlichkeit, weil er seine gesamte Lebenskraft und nicht unerhebliche eigene finanzielle Mittel einsetzte, um die damalige Stadtentwicklung Leipzigs zu fördern. Mit großer Weitsicht richtete er seine wirtschaftlichen Unternehmungen darauf aus, neue Gewerbe- und Wohnflächen sowie eine Verkehrsinfrastruktur für die sich entwickelnde Industriegesellschaft zu schaffen. Dem Widerstand von Stadtoberen und Vertretern des alteingesessenen Handelsbürgertums, welche einer Stadterweiterung ablehnend gegenüberstanden, setzte er eine beeindruckende Beharrlichkeit entgegen, mit der er für die Realisierung seiner Baupläne kämpfte. Bei der Recherche zu der Sonderpublikation „Carl Heines Vision“ bin ich einem Mann begegnet, der es geschafft hat eine Vision zu hinterlassen, für die nachfolgende Generationen ebenso wie er begeistert eintreten.

Die Akzeptanz der Leipziger und auch das Interesse der Touristen ist enorm. Können Sie kurz beziffern, in welchem finanziellen Rahmen sich baulicher Aufwand und Ertrag durch zusätzliches Gäste-Aufkommen in der Stadt bewegen?

Die LESG Gesellschaft der Stadt Leipzig zur Erschließung, Entwicklung und Sanierung von Baugebieten mbH beziffert in einem Beitrag in der Sonderpublikation „Carl Heines Vision“ das Bauvolumen für die Gewässerverbindung und Erschließung mit 14 Millionen Euro. In welchem finanziellen Rahmen sich der Ertrag durch zusätzliches Gäste-Aufkommen bewegt, kann ich nicht sagen. Fest steht, das die Zahl der Touristen, als auch die der Übernachtungen in der Stadt Leipzig seit Jahren stetig steigt. Die erlebbare Gewässerlandschaft ist dabei ein Anziehungspunkt, wie ich selbst immer wieder aus Gesprächen mit Besuchern erfahre.

Mit dem neuen Hafenviertel am Lindenauer Hafen hat sich auch am Rande Grünaus viel getan. Wir haben nun einen schönen Radweg entlang der Bahngleise der alten Kiesbahn, was auch die Museumsbahner freut. Man kann am Wasserlauf bis zur Luisenbrücke und weiter bis zum Stelzenhaus radeln oder spazieren. Hatte auch Carl Heine den steigenden Wohnwert seines Kanalbaus im Blick oder war er mehr Geschäftsmann, der Infrastruktur und kaufmännische Interessen voranstellte?

Der Bau des Kanals wurde durch Carl Heine veranlasst, um einen schiffbaren Transportweg zwischen Leipzig und Plagwitz zu schaffen. Im Umfeld der Kanaltrasse entstanden vor allem Fabriken. Die Karl-Heine-Straße, die Gießer- und die Weißenfelser Straße hatten ausschließlich den Charakter von Fabrikstraßen. Insofern ist der damalige Kanalbau nicht mit der heutigen Aufwertung eines Stadtviertels durch „Wohnen am Wasser“ vergleichbar. Dennoch, und gerade weil er Geschäftsmann war, würde er heute auch das „Wohnen am Wasser“ als Idee verfolgt haben. Schließlich hatte er auch damals den Aushub des Kanals zur Trockenlegung und damit zum Wohnungsbau in Plagwitz und Schleußig genutzt. Auch unterstützte er den Wassersport, was ein Indiz dafür sein kann, dass er kaufmännische Interessen durchaus mit sozialem Engagement verband und auch heute verbinden würde.

Wissen Sie, ob er jemals selbst gepaddelt oder gerudert ist?

Carl Heine war Mitbegründer des Rudervereins „Sturmvogel“. Überliefert ist, dass er seinem Sohn zum 18. Geburtstag ein Sportboot für vier Personen schenkte, das auf den Namen „Sturmvogel“ getauft wurde. 1884/1885 ließ er für den Ruderverein ein Bootshaus an der Nonnenstraße bauen, welches heute noch existiert und Heimstatt des Kanu- und Freizeitverein Südwest e.V. ist.

Wie sehen heutige Visionen aus? Kommt die Anbindung an die Saale?

Mit der Anbindung des Karl-Heine-Kanals an das Hafenbecken ging das erste Vereinsziel des Wasser-Stadt-Leipzig e.V. im Jahr 2015 in Erfüllung. Das zweite Vereinsziel beinhaltet die Verbindung des Hafenbeckens mit dem Saale-Elster-Kanal, das dritte Vereinsziel die Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale.

Zum derzeitigen Stand ist zu sagen, dass auf der Jahreskonferenz der Metropolregion Mitteldeutschland im Dezember 2018 eine Machbarkeitsstudie zur Anbindung des Lindenauer Hafens an den Saale-Elster-Kanal angekündigt wurde, die die Stadt Leipzig erarbeitet. Des Weiteren wurde von den Städten Leuna und Leipzig eine „Konzeption zur Inwertsetzung des Saale-Elster-Kanals“ erstellt. Ein erster Schritt ist, den bestehenden Saale-Elster-Kanal und sein Umfeld als Ausflugslandschaft für die Region Leipzig/Halle zu entwickeln. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Bau des Saale-Elster-Kanal-Radweges. Der zweite Schritt, die Herstellung einer schiffbaren Verbindung zur Saale, findet sich aktuell in den vorgeschlagenen Projekten für Leipzig im Bericht der Kohlekommission wieder.


Autorin Kerstin Bierbaß

Das Gespräch mit Kerstin Bierbass, Vorstandsmitglied des Wasser-Stadt-Leipzig e.V. und Buchautorin der Publikation „Carl Heines Vision“, das zum 200. Geburtstags des Leipziger Industriepioniers erschien, führte Silke Heinig vom Literatur Treff Grünau.

Präsentation, Lesung und Gespräch zum Buch finden im Rahmen des Grünauer Kultursommers am Mittwoch, 17. Juli 2019, 15 bis 17 Uhr, im Stadtteilladen Grünau, Stuttgarter Allee 19, statt.
Der Eintritt ist frei. Bucherwerb und Autogramm sind möglich.


Quelle: Silke Heinig / Literatur-Treff Grünau