Kollektiv Plus X und Soziokulturzentren machen die Ratzelwiese noch bis Mitte August zu einem bunten Ort für Erlebnisse und Begegnungen (LVZ vom 27.07.2020)
Wer nah dran steht, fühlt sich wie im Rekordsommer 2019. Die Flammen aus dem Ofen schicken ein Hitzeflimmern auf die Wiese und potenzieren die Wärme des Freitagabends. Vincent Zimmer legt sogar noch einen Holzscheit drauf, damit es stärker bollert. Schließlich soll hier gleich Pizza gebacken werden. „Bella Grünau“ heißt das Projekt, das die Ratzelwiese im Wohnkomplex 8 noch bis Mitte August zu einer temporären Pizzeria und einem Ort von lockerer Begegnung und Freizeitspaß macht.
Gemeinschaftsort für Grünauer
Vincent Zimmer gehört zum Verein Kollektiv Plus X. Der hat zusammen mit den Soziokulturellen Zentren Komm-Haus und Die Villa einen Gemeinschaftsort für Grünauer kreiert, den die Bevölkerung des Stadtteils mitgestalten kann.„Durch Intervention im öffentlichen Raum schaffen wir Treffpunkte, die inklusiv sind und eine demokratisierende Wirkung haben“, beschreibt er die Idee.
Das Kollektiv aus Designern und Städteplanern mit Sitz in Leipzig, nominiert für den German Design Award 2020, hat unter anderem auch Projekte in Berlin und Halle umgesetzt. Immer bewegen sich die sieben Mitglieder an der Schnittstelle von Kunst, Raumplanung, Design und sozialer Arbeit. Das ist der Ratzelwiese auch anzusehen, die als Sammelsurium aus bunten, theaterähnlichen Holz-Kulissen und Sonnenschirmen die öffentliche Neugier auf sich zieht. Eine kleine Bühne, eine Spiellandschaft, eine Kletterwand, eine Tischtennisplatte und mit Tuch überspannte Abschnitte zum Relaxen entwickeln Magnetwirkung; dazu gibt’s Bio-Klo und Hygienestation – und im Zentrum natürlich den Freiluft-Pizzaofen.
Seit dem 11. Juli können Besucherinnen und Besucher immer freitags und sonnabends zwischen 16 und 21 Uhr ihre Teig-Fladen selber belegen und backen. Wie leicht sich daraus auch ein Gemeinschaftsgefühlbildet, zeigt der Blick in die offene Küche: Kinder und Jugendliche stehen nebeneinander und schnippeln die Zutaten von Tomaten über Zucchini und Champignons bis hin zu Zwiebeln, kommen dabei ins Gespräch.
„Mit dem Zuspruch sind wir sehr zufrieden“, sagt Komm-Haus-Mitarbeiterin Martina Lück. „Zur Eröffnung waren rund 300 Leute da, auch aus anderen Stadtteilen. Das ist uns wichtig.“ Die Grünauer Bevölkerung hat „Bella Grünau“ jedenfalls längst mehr als akzeptiert. Dass bislang kein einziges Objekt des Areals beschädigt oder besprüht wurde, sagt einiges aus. Und schon bevor der Betrieb an den Wochenenden losgeht, stehen Kinder und Jugendliche Schlange, um bei den Vorbereitungen zu helfen.
„Ich finde es richtig schön hier“, sagt die elfjährige Emily, die mit ihrem achtjährigen Bruder Luca ganz in der Nähe wohnt. Zu den regelmäßigen erwachsenen Besuchern und Helfern gehört Nadine Priske. „Ich war zur Eröffnung da und bin begeistert“, sagt sie. „Toll, dass diese Fläche belebt wird. Von einem sehr netten Team übrigens.“
Ein paar Meter weiter zerlegt Kollektiv-Mitglied Ezra Dilger mit den Pädagoginnen Conny und Kerstin vom Wohnheim Dahlienstraße gerade mehrere Holzpaletten. Aus den Bestandteilen sollen Blumenkästen entstehen – eins der gestalterischen Angebote im Rahmen des Projekts. „Wir möchten ein Hochbeet für behinderte Kinder bauen“, schildert Conny. Auch hier sind anwohnende Kinder eifrige Mithelfer.
Leben ab 18 Uhr
Richtig Fahrt auf nimmt das Leben von „Bella Grünau“ bei gutem Wetter immer gegen 18 Uhr, wenn viele vom nahe gelegenen Kulkwitzer See kommen. Dann gibt‘s Pizza und Programm. Am Sonnabend zauberte Jose Armando Contreras aus Venezuela auf der E-Gitarre, Mr. Olsen legte groovigen Funk auf und eine Brass Band bediente viel Blech. Ein Beispiel für das Einbinden der Bewohner lieferte Florian: Der 13-Jährige präsentierte Zaubertricks. Und was er quasi als Gage nach der Show aß – man kann es sich denken.
Das Programm von „Bella Grünau“ ist bei Facebook zu finden: www.facebook.com/BellaGruenau/
Mark Daniel
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 27.07.2020