Kulturprojekt verzeichnet bislang 118 Bürger-Wünsche (LVZ vom 20.07.2018)
Ganz pragmatische Wünsche wechselten sich mit moralisch-ideellen ab. Zwei Beispiele: Die Straßenbahnlinie 15 fährt zwar mit einem barrierefreien Wagen durch Leipzig, doch am Augustusplatz reicht der Bahnsteig nicht weit genug, um beim hintersten Wagen barrierefreies Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Ein Grünauer Mädchen dagegen stellt sich für die Zukunft einen sauberen Spielplatz ohne Glasscherben und Alkoholiker vor.
Bemerkenswert findet Hoffmann, „dass die meisten sich Lösungen für Probleme wünschen, die auch andere Menschen betreffen, also auch an andere denken. Das ist ein sehr schönes Fazit.“ Sie verzeichnete 45 Wünsche an die Stadt Leipzig, 14 wendeten sich an die Politik. Einer bemängelte, dass es im Rathaus Beauftragte für Gleichstellung, Migranten, Behinderte und Senioren gebe, jedoch keinen, der auf Bedürfnisse und Interessen von Kindern achte. In anderen Städten gebe es das bereits. Das AWuV will mit den zuständigen Ämtern den Kontakt suchen, mit Unterstützung aus dem Kulturamt.
Die Altersspanne der Einreicher begann bei 6 und endete bei über 90 Jahren. Als wunschlos glücklich bezeichneten sich zehn Personen. Das AWuV ist keine wirkliche kommunale Behörde, sondern ein vom Soziokulturzentrum Haus Steinstraße initiiertes Projekt. Die Theaterschaffende, Kulturpädagogin, Autorin und Produktionsleiterin Solveig Hoffmann hatte die Idee, das Thema Wunscherfüllung zu institutionalisieren. Es ist eingebettet in das aktuelle Gemeinschaftsprojekt „Wem gehört die Stadt?“ der AG Soziokultur unter dem Titel.
Jeder Wunsch wird laut Hoffmann ernst genommen, sorgfältig dokumentiert und an die verantwortlichen Stellen geleitet. Vom 8. bis 11. Oktober können Leipziger auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz weitere Wünsche äußern.
MaD
Leipziger Volkszeitung vom 20.07.2018
Hintergrund:
Leipzig ist nach vielen Jahren der Einwohnerverluste heute eine der am schnellsten wachsenden Großstädte in Deutschland. Damit wächst auch das Wunschvolumen in Leipzig.
Die Strategie der Verwaltung passt sich diesem Bedarf an und gründet das deutschlandweit erste „Amt für Wunscherfüllung und Vielleicht-Management“, um die Wünsche zu erfassen.
Amtsleiterin Solveig Hoffmann erläutert die Aufgaben des Amtes: „Wir sprechen mit den Menschen auf der Straße, die Wünsche haben und von diesen erzählen wollen. Und vielleicht schaffen wir es sogar, einige dieser Wünsche zu verwirklichen.“
Unter diesem Aspekt erfolgt dann die Weiterentwicklung der geäußerten Wünsche im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes INSEK 2030 sowie der Stadtteilkonzepte STEG. Das Amt wird sich zunächst auf das Schwerpunktgebiet Leipzig-Grünau konzentrieren, nimmt aber auch Wünsche aus anderen Stadtteilen entgegen. Jeder Wunsch wird sorgfältig dokumentiert, um anschließend unter Beachtung der gesetzlichen Richtlinien der Kommune, des Freistaates Sachsen sowie des Bundes und der Europäischen Union in den Wunsch-Katalog aufgenommen zu werden.
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie forderte im Frühjahr 2016 in Leipzig eine neue vierte Gewalt: „Die Konsultative – Mehr Demokratie durch Bürgerbeteiligung“ und meint damit auch die Demokratisierung der Demokratie. Er spricht von einer demokratischen Betriebstemperatur: auf der einen Seite „expertokratisch ausgekühlt“ und auf der anderen Seite „populistisch überhitzt“.
Die deutschlandweit einzigartige Gründung eines „Amtes für Wunsch-Erfüllung und Vielleicht-Management“ erfolgt aus diesem Grund in Leipzig.
Alle, die Wünsche haben und sich noch trauen, sie zu denken, zu schreiben, zu malen oder zu erzählen, werden hier ernst genommen. Egal ob Kinder, Jugendliche, Arbeitende, Seniorinnen, Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund – wer da ist, gestaltet die Stadt schon durch seine Anwesenheit und hat damit auch das Recht und die Verantwortung, an dieser Gestaltung mitzuarbeiten. Alle Wünsche werden für eine Ausstellung aufbereitet und das erste Ergebnis noch 2018 präsentiert. Wer kann mitmachen? Alle, die sich etwas wünschen!
Die erste Präsentation war am 14. Juli im Projekt „Stadt in der Stadt“, Robert-Koch-Park, 16.00 Uhr. Die weiteren Öffnungszeiten werden vom 08. – 11. Oktober 2018 auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz (Gleitzeit ab ca. 10 Uhr) stattfinden. Die zweite Präsentation findet am 12. und 13. Oktober 2018 im Rahmen des Projekts „Wem gehört die Stadt?“ der AG Soziokultur) statt.
Was wünschen Sie sich?
Für telefonische Anfragen / Interviews nutzen Sie bitte folgende Verbindung:
Amtsleiterin AWuV, Solveig Hoffmann: 0176 – 80 11 82 63
mail: AWuV@haus-steinstrasse.de
Quelle: Haus Steinstraße e.V.
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