Ein Zuhause für Menschen ohne Chance

Caritas hilft Leipzigern in Not, die keine Wohnung mehr finden / LVZ-Spendenaktion will dringende Renovierung möglich machen (LVZ vom 17./18.11.2018)

Edith Perleberg sitzt mit ihrem Hund Lucky in der Wohnung, die sie über die Wohnungsnotfallhilfe der Caritas vermittelt bekam. Foto: André Kempner

Umzugskisten stehen hinter Edith Perlebergs Wohnungstür, sie lässt sich kaum öffnen. Der dunkle Flur ist eng, stellenweise begrüßt der blanke Putz Besucher. Die 71-Jährige lebt mit ihrem Partner und dem Hund Lucky seit April in der Selliner Straße in Grünau – auf 30 Quadratmetern, in nur einem Raum. Die Wohnung ist renovierungsbedürftig. Was für viele wie ein Albtraum klingt, lässt das Herz der zierlichen Frau höher schlagen. Und dennoch hofft sie auf Unterstützung durch die LVZ-Spendenaktion „Ein Licht im Advent“.

Zuvor wohnte die gebürtige Leipzigerin mit ihrem 75 Jahre alten Partner in Sellerhausen. Ihre Zwei-Raum-Wohnung sei verschimmelt gewesen, der Vermieter habe sich nicht gekümmert. Perleberg, die sich selbst als „Wirbelwind“ bezeichnet, stellte die Mietzahlungen ein, die sie mit ihrer Rente bestritten hatte. Der Vermieter drehte Gas und Strom ab, es war eiskalt in der Wohnung. Das schlug sich auf die Gesundheit der 71-Jährigen nieder. Seit drei Jahren leidet sie an Blutkrebs. „Plötzlich kam dann die Räumungsklage“, erinnert sich Perleberg. „Ich war damals ziemlich kaputt.“

Die gelernte Kellnerin suchte sich Hilfe beim Sozialdienst der Stadt. Die Mitarbeiter vermittelten sie an den Caritasverband. „Das war unsere Rettung“, sagt Perleberg heute. Denn die 71-Jährige wäre vielleicht noch für ein paar Tage bei Bekannten untergekommen, hätte aber keine Möbel mitnehmen können. Ohne eine positive Vormieterbescheinigung sei es ihr allein kaum möglich, eine neue Wohnung zu finden, denn aufgrund der großen Nachfrage könnten sich die Eigentümer ihre Mieter aussuchen, bemängelt Martin Ciupka, Sozialarbeiter der Wohnungsnotfallhilfe der Caritas in Leipzig.

Mit Hilfe Ciupkas zog das Paar, noch bevor die Räumungsklage vollstreckt wurde, nach Grünau. Dort mietet der Caritasverband seit Anfang des Jahres drei Wohnungen von der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) an und lässt ausgewählte Klienten einziehen, die auf eigene Faust kein Dach über dem Kopf mehr finden. Ciupka kümmert sich um die sechs Mieter – alle Empfänger von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II. Sie hatten Probleme mit der vorherigen Bleibe: Einigen wurde gekündigt, anderen drohte die Räumung. Hintergründe sind etwa Schulden oder ein fehlendes soziales Netzwerk.

Negative Mietbiografie – keine Chance auf dem Wohnungsmarkt

Ciupka arbeitet seit 2011 in der Wohnungsnotfallhilfe der Caritas. „Der Wohnungsmarkt hat sich drastisch verändert“, sagt er. Seit etwa 2014 bekäme man nur noch über direkte Kontakte eine Bleibe, seit zwei Jahren vermieten nicht einmal mehr Wohnungsgesellschaften an Menschen mit negativer Mietbiografie. Darum mietet die Caritas seit Jahresanfang selbst Wohnungen an. „Wir sind näher dran an den Leuten als Wohnungsgesellschaften oder Vermieter“, erklärt Ciupka. Wenn die Bewohner ihre Miete nicht zahlen, kann er direkt reagieren – statt einfach nur zu kündigen. So half Ciupka etwa Perlebergs Partner, endlich seine Rente zu beantragen und in die Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Ciupka ist zur Stelle, wenn den Mietern etwas auf der Seele liegt. „Den geben wir nicht mehr her“, sagt Edith Perleberg über den 42-Jährigen.

Doch so wohl sich Edith Perleberg in der neuen Bleibe auch fühlt, ein paar Wünsche hat sie doch. Denn der Mietpreis für die Wohnungen in der Selliner Straße ist deswegen so gering, weil sie stark renovierungsbedürftig sind. Die Wände auf den Fluren des Hauses mit 78 Wohneineinheiten sind beschmiert, Fußböden aus den 1970er-Jahren wellen sich und sind fleckig, an einigen Wänden hängen lediglich noch Tapetenreste, Fliesen sind zersprungen.

Caritas benötigt Geld für Renovierungsarbeiten

Neben einer Kochplatte stapelt sich dreckiges Geschirr, Edith Perleberg spült es im Bad. Einen Wasserhahn gibt es in der Kochecke nicht. Perlebergs Kleidung ist mangels eines Kleiderschranks in den Umzugskisten hinter der Wohnungstür verstaut, ihr Freund und sie klappen abends das Bettsofa aus, um darauf zu schlafen. Perleberg wünscht sich Gardinen. „Und vielleicht zwei Sessel, damit es wohnlicher wird.“ Tapeziert hat das gebrechliche Paar die zunächst blanken Wände der Wohnung auf eigene Faust, das Material zahlte Perleberg von ihrer Rente. In der Vorweihnachtszeit will die 71-Jährige das Zimmer mit einem Adventskranz schmücken. Die Bewohner hoffen auf „Ein Licht im Advent“, damit sie sich bald noch wohler fühlen in dem Raum, der ihnen Schutz bietet vor dem harten Mietmarkt. Um selbst zu renovieren, dazu fehlt neben Geld auch die Energie. Wie die Wohnung von Edith Perleberg sind auch die anderen Unterkünfte in sehr schlechtem Zustand. Auch hier sind dringend Renovierungsarbeiten nötig.

Wie weit fortgeschritten der Krebs im Blut Perlebergs ist, weiß sie nicht. Seit einem Jahr ließ sie sich nicht mehr untersuchen. „Wenn ich in die Kiste muss, geh’ ich rein“, sagt die 71-Jährige trotzig. Ihren Optimismus hat sie trotz der Schicksalsschläge nicht verloren: „Dass es mir weiter so gut geht wie jetzt“, wünscht sich Perleberg für das neue Jahr.

Theresa Held

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 17./18.11.2018


Weitere Informationen:
„Hilfe für Leipziger in Wohnungsnot“ – Infos zur LVZ-Spendenaktion 2018