„Grünau bekommt zum 40. Geburtstag ein neues Entwicklungskonzept“

Rundgang zum Tag der Städebauförderung 2016 in Leipzig-Grünau.
Foto: André Kempner

Einwohnerzahl steigt deutlich / Viele Bauprojekte erwartet / Luxemburger Konzern kauft 4.250 Wohnungen
LVZ vom 23.05.2016

„Grünau braucht keine Imagekampagne.“ Die Zeiten des Exodus, als sich die Einwohnerzahl des größten Leipziger Stadtteils von etwas über 80.000 halbierte und etliche Häuser abgerissen wurden, seien vorbei. Das sagte Juliana Pantzer, Gebietsverantwortliche beim Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW), bei einem dreistündigen Rundgang am Sonnabend ganz beiläufig.

Dabei gab es im Rathaus lange erhebliche Ängste, dass bei weiterer Schrumpfung das Allee-Center schließen könnte und im äußersten Westen eine Abwärtsspirale nicht mehr zu stoppen sei. Dass es ganz anders kam, lag auch am Einsatz von Städtebaufördermitteln, resümierte nun ASW-Abteilungsleiter Stefan Geiss bei einem Vortrag im Stadtteilladen an der Stuttgarter Allee. „Allein vom Bund flossen 67 Millionen Euro in die hiesige Infrastruktur. Dadurch wurden Projekte wie der Neubau des Theatriums oder die Skaterhalle Heizhaus erst möglich.“

Schon jetzt habe die Kommune weitere Mittel aus dem neu aufgelegten Programm „Soziale Stadt“ beantragt. Das Geld solle zum Beispiel für die Wiederbelebung stillgelegter Schulen, Kitas oder Jugendclubs (vor allem in den Wohnkomplexen 7 und 8), ein besseres Umfeld am Bildungscampus rings um das Klingergymnasium und die Radweg-Verbindungen nach Lindenau und Plagwitz eingesetzt werden. „Seit 2011 ist die Einwohnerzahl um 2.500 auf 42.500 gestiegen“, so Geiss. Wahrscheinlich werde sich dieser Trend noch verstärken – auch wenn momentan offen sei, ob Grünau einen ähnlichen Imagewandel schafft wie Marzahn-Hellersdorf in Berlin. Wegen der explodierenden Mieten in der Hauptstadt sei die größte DDR-Neubausiedlung inzwischen bei jungen Leuten, Lehrlingen oder Studenten, regelrecht hipp. Die Zuzügler nach Grünau seien hingegen bislang oft Rückkehrer. „Sie haben hier eine schöne Kindheit erlebt, kennen die Vorzüge wie eine komplette Trennung zwischen Autoverkehr und den Fuß- und Radwegen, viel Grün und die hervorragenden Sportanlagen genau.“ Zu den Rückkehrern gehörte aber beispielsweise auch Monika Kaubisch, die gleich an mehreren Veranstaltungen zum „Tag der Städtebauförderung“ teilnahm. „In Grünau brauchen wir kein Auto, haben alles um die Ecke und fühlen uns sehr wohl“, erzählte die 78-Jährige. Deshalb hätten sie und ihr Mann Hans-Werner Kröber (75), der nun wieder den gemischten Chor Grünau leitet, ihr Haus auf dem Land dem Nachwuchs vermacht – und seien in den Wohnkomplex 4 umgezogen.

Zum 40. Geburtstag Grünaus, der ab 1. Juni mit einer Festwoche begangen wird, will das Baudezernat ein neues Stadtteil-Entwicklungskonzept beisteuern. Es gehe dabei auch um Art und Standorte der neuen Häuser, die auf den früheren Abrissflächen zwischen Kulkwitzer See und Lindenauer Hafen schon bald entstehen könnten. „Auch andere Bereiche wie das geplante Bildungs- und Bürgerzentrum in der früheren Post, die Stärkung der lokalen Wirtschaft oder die Integration von Migranten sind dabei wichtige Themen“, erläuterte Antje Kowski vom Quartiersmanagement. Trotz aller Probleme wie erhöhter Erwerbslosigkeit und Überalterung habe der Stadtteil eine gewisse soziale Mischung bisher bewahren können. Allerdings gab es erst kürzlich wieder Verunsicherungen, weil ein Finanzinvestor – die Grand City Properties aus Luxemburg – alle 4250 Wohnungen des Hausverwalters Gutburg gekauft hat.

Bei den Rundgängen wurden ebenfalls Widersprüche offenbar. So war das kommunale Freizeitzentrum „Völle“ komplett zu, obwohl ein Aushang an der Tür verhieß, es sei offen. Indes gab es im Heizhaus, das ein Verein ohne von der Stadt finanzierte Stellen betreibt, gleich drei Veranstaltungen: vom Breakdance Festival über ein Grundrechte-Theater-Projekt bis zum Seniorentanz. „Der Einzugsbereich vom Heizhaus beträgt 250 Kilometer“, lobte Führungsleiterin Juliana Pantzer. „Es ist die beste Werbung für Grünau. Denn wer öfter herkommt, merkt bald, was dieser Stadtteil alles zu bieten hat.“

Jens Rometsch

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.05.2016