Gärtnern liegt im Trend. Allein 39.000 organisierte Kleingärtner gibt es in der Stadt. Die LVZ stellt Leipziger mit grünem Daumen vor. Ein Blick in Kleingärten, auf Balkone und in alternative Projekte.
Heute: der Kolonnadengarten Grünau (LVZ vom 19.07.2016)
Ein Geheimtipp ist der Grünauer Kolonnadengarten wohl schon nicht mehr. Drei Anwohnerinnen, die hier regelmäßig ihre Beete pflegen, sitzen zum Plausch an einem Tisch unter der Pergola, die sich als verbindendes Element etwa 60 Meter lang durch den Gemeinschaftsgarten an der Alten Salzstraße zieht. Bänke, Gerätespinde, ein Gartenzimmer als Treffpunkt und zum Schutz vor Regen sind in die Pergola aus Lärchenholz eingebunden. Der Blick der drei Gärtnerinnen fällt immer wieder auf einen etwa 90 Quadratmeter großen Teich, in dem neben Moderlieschen ein großer Karpfen schwimmt und eine Ente gerade in der Sonne döst. Im Bachbett sind Findlinge verbaut, um einen natürlichen Wasserlauf entstehen zu lassen. Die Nischen sind liebevoll bepflanzt.
Andere kommen auf einen Sprung vorbei, um sich zu entspannen. Kindergartengruppen sind ebenso dabei wie die älteren Bewohner des nahe gelegenen Seniorenheimes. „Es ist einer der schönsten Gemeinschaftsgärten in Leipzig geworden“, lobt Michael Berninger, der Vorsitzende des sächsischen Ablegers der Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DLGL). Er kommt gern in die grüne Oase, die seit Abriss der Häuser zwischen Mannheimer Straße und Alter Salzstraße regelrecht gewachsen ist und gemeinsam mit vielen Anwohner entwickelt wurde. Das Areal gehört der Wohnungsgenossenschaft Pro Leipzig eG, die es seit 2007 mit Hilfe von Fördermitteln als Ort der Begegnung und Erholung für alle Generationen entwickeln ließ. Dabei kam ihnen ein Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zugute, das Ideen für familien- und altengerechte Stadtquartiere suchte und förderte. Die Kolonnadengärten, die die Landschaftsarchitektin Susanne Schnorbusch entworfen hat, wurden zu einem der Modellprojekte.
Die gute Seele ist Gert Kunz, der sich Tag und Nacht um die „grüne Lunge“ mitten im Wohngebiet kümmert, wie viele loben. Dort gibt es eine Wildwiese und sogar seltene Gewächse wie Ginkgo, Mammut- oder Glockenbaum. Aber eben auch liebevoll gepflegte kleine, abgetrennte Beete hinter Hecken, um die sich die Paten kümmern. „Früher hatte ich einen großen Garten in Beucha, den ich aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste“, erzählt Renate Hesche (77), die sich ein kleines Hochbeet angelegt hat. Dort wachsen Lavendel, Rosen, Ballonblumen und vieles andere. Bärbel Neunfeld hat ein Kräuterbeet eingerichtet, auf dem Oregano, Minze, Bohnenkraut, Baldrian, kretische Melisse, Apfelminze und vieles mehr gedeiht. „Ich möchte erforschen, was hier wächst. Ich suche mir den Samen von Wildkräutern und ziehe die Pflanzen selbst. Ich habe auch schon Löwenzahn angepflanzt, aber das hat wohl jemand als Unkraut beseitigt“, erzählt sie. „Wir kommen alle gern hierher, oft werden auch Feste gefeiert“, ergänzt Eugenie Neumann (61), ansonsten leitende Schwester in der Uni-Zahnklinik.
Gladiolen, Dahlien, Tagetes, Cosmea – es blüht die ganze Saison. Einige bauen Tomaten und Bohnen an. Kübel mit Hibiskus, Wunderblumen, Glockenrebe oder Engelstrompeten sorgen für viel Flair in dem Garten, der von 8 bis 20 Uhr geöffnet ist. Hin und wieder gibt es auch Vandalismus, was sich aber zum Glück in Grenzen hält. Jeder bringt seine eigenen Pflanzen mit. Für den Strom sorgt eine Photovoltaikanlage. Geht ein Gerät wie der Rasenmäher kaputt, übernimmt dies die Genossenschaft.
Mathias Orbeck
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.07.2016