„Zurück bleibt ein Schrei“

Theatrium-Premiere mit „Muttermord“
Theaterkritik der Leipziger Volkszeitung vom 26.03.2012

Im Saal des Theatriums herrscht reges Treiben zur Premiere am Freitagabend. Das Stück „Muttermord“ ist ausverkauft, sogar die Treppenstufen dienen als Stuhlersatz. Der Blick ist auf den grauen Bühnenvorhang geheftet. Lediglich ein beleuchteter weißer, noch leerer Bilderrahmen hebt sich davon ab. Spanische Musik führt das Publikum in eine fremdartige Welt. In eine Zeit der Unterdrückung in den 1930er Jahren. In Anlehnung an das Bühnenstück „Bernarda Albas Haus“ von Garcia Lorca greifen zwölf junge Darstellerinnen unter der Leitung von Georg Herberger die Themen der Frauenrolle dieser Zeit sowie damit einhergehend auch die Tyrannei und Unterdrückung durch die eigene Mutter auf.
Mutter und Töchter, sogar die Dienstmädchen, tragen schwarze Kleidung. Verschleierte schwarze Witwen, reglos am Anfang und nicht voneinander zu unterscheiden – doch unter den Trauerschleiern brodeln Gefühle: Frustration, Rivalität, Gehässigkeit, Verachtung, Neid, Hass. Der Vater ist verstorben, Die Mutter Bernarda, herausragend gespielt von Tina Orlovskij, lässt ihren Kindern keinerlei Luft zum Atmen, keinen Spielraum zum Leben. Männer sind tabu.
Die Mädchen sehnen sich nach Freiheit und Liebe. Sie treten als einheitliche Masse hervor, starren ins Nichts, mitten durch die Zuschauer hindurch. Von allem ungerührt ist die Herrscherin, Bernarda, die dieses Schreckensregiment im eigenen Haus gnadenlos durchexerziert. Gnadenlos und blind für die Wirklichkeit. Gewalt, Gier und Schweigen – in diesem Klima der Verdächtigungen, Unterstellungen und unterdrückten Sexualität werden alle zu Opfern des eigenen Systems.
Die Darstellerinnen tanzen mit Ausdruck, transportieren ihre Gefühle über die Musik, lassen einen gequälten Schrei zurück. Die Beklemmung ist im ganzen Raum zu spüren. Magdalena, die Lieblingstochter des Vaters, schmiedet insgeheim einen teuflischen Plan. Im weißen Bilderrahmen findet ab und zu jeder von den Töchtern Platz, um den Emotionen Luft zu machen und die Maskerade für ein paar Minuten abzulegen. Magdalena spricht mit viel Gefühl das Lied „Creep“ von Radiohead als Gedichtvariante. „I’m a creep. I’m a weirdo. What the hell am I doing here? I don’t belong here“. – Sie ist es, die letztendlich das Giftgemisch für die eigene Mutter anrührt. Das ist der Preis für die Freiheit der Töchter.
Das Herzklopfen wird von Sekunde zu Sekunde lauter. Der eigene Atem steht fast still, der Puls schlägt heftig und die Gedanken überschlagen sich. Es ist eine Inszenierung voller Gefühl. Immer wieder erklingt spanische Musik. Immer wieder ist mit Hilfe von Ausdruck, Tanz und Musik ein Gänsehautschauer nach dem anderen garantiert. Ein tragisches Schicksal. Vorhang fällt. Tosender Applaus und Blumenhagel. Gänsehaut.
Sandy Krause


Vorstellung am Freitag bereits ausverkauft, Zusatztermin am Samstag, 20 Uhr, Kartentelefon: 0341 9413640.


Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 26.03.2012