„Zeittickets und S 1 schlagen Wellen“

Viele Reaktionen hat die Mitteilung ausgelöst, dass der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) im August die ersten flexiblen Zeitkarten einführen will. Während bislang Wochenkarten montags beginnen und sonntags enden, sollen Fahrgäste künftig den Geltungsbeginn einer Wochenkarte frei wählen können. Auch die beabsichtigte zeitweise Stilllegung der S-Bahn-Linie 1 erregt die Gemüter.
Die Ratsfraktion der FDP, die die Einführung der flexiblen Tickets angeschoben hatte, reagierte mit Unverständnis auf die beabsichtigte etappenweise Einführung der gleitenden Karten. Denn wie berichtet will der MDV im August zunächst flexible Tages- und Wochenkarten einführen und in einer zweiten Stufe – ein Jahr später – flexible Monatskarten. „Die verzögerte Einführung im Jahr 2012 hat den faden Beigeschmack der Rechtfertigung einer erneuten Erhöhung der Preise im kommenden Jahr“, kritisiert Fraktionsvorsitzender René Hobusch mit Blick auf die Kosten, die nach Angaben des MDV durch die notwendige Umrüstung der Fahrkartenautomaten entstehen. Der MDV begründet die Verzögerung mit einer noch laufenden Bewertung der aktuellen Tarifmarktforschung. Diese lege nahe, die Einführung der gleitenden Monatskarten nicht unabhängig, sondern nur im Zusammenhang mit der Abo-Differenzierung und der Neustrukturierung von Teilzeit-Monatskarten zu betrachten, heißt es.
Begrüßt werden die Zeitkarten vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD), Landesverband Elbe-Saale. „Der VCD fordert entsprechende Änderungen seit Jahren“, so Harald Lindner, der den VCD im Fahrgastbeirat der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) vertritt. Die Preiserhöhungen, die für den August angekündigt sind, sieht der VCD dagegen als eine der Folgen verfehlter sächsischer Sparpolitik, der die S-Bahn-Linie 1 Leipzig-Grünau voraussichtlich ganz zum Opfer fallen könnte. Damit widerspricht der VCD ausdrücklich Äußerungen, die Schuld für die angekündigten Verschlechterungen im Nahverkehr nicht bei der sächsischen Staatsregierung zu suchen. „Mit der Entlastung künftiger Generationen hat der Sparhaushalt im Bereich des Nahverkehrs nichts zu tun“, erklärt Matthias Reichmuth vom Vorstand des VCD-Landesverbands. Die Nahverkehrsmittel des Bundes werden von den Ländern an die jeweiligen Zweckverbände weitergegeben. Der Bund wolle bei der Neuberechnung ab 2014 die gefahrenen Zugkilometer zu Grunde legen. „Wenn Sachsen hier also eigenmächtig kürzt, dann wird es künftig auch weniger Bundesmittel erhalten. Insofern führt die Entscheidung des Landtags, die Finanzierungsgrundlage für den Nahverkehr zu ändern, eben nicht zu einer Entlastung künftiger Generationen, sondern nur zur Verschlechterung des Nahverkehrsangebots und zu Preiserhöhungen für die Kunden“, so Reichmuth. Ziel des VCD sei es, „die Entscheidung des Landtages so bald wie möglich zu korrigieren, zumal die wirtschaftliche Entwicklung inzwischen auch einen Schuldenabbau ohne Streichungen im Nahverkehr möglich“ mache.
Kritik an den Stillegungsplänen für die S 1 kommt von Leipzigs Senioren-Union. „Auch bis 2013 muss die S-Bahnlinie 1 zwischen Hauptbahnhof und Miltitzer Allee freie Fahrt haben“, fordert der Kreisvorsitzende der Vereinigung und Stadtrat Konrad Riedel (CDU). „Es geht nicht an, dass diese S-Bahn-Linie drei Jahre stillgelegt wird. Die S 1 ist die bestausgelastete S-Bahn-Linie und das, weil in Grünau vor allem auch wegen der Barrierefreiheit und guten Infrastruktur besonders viele Ältere und Behinderte, aber auch Familien leben. Für sie ist die S 1 die Lebensader, die sie mit dem Stadtzentrum verbindet. Weder Auto noch andere ÖPNV-Angebote können diese ersetzen.“
Andreas Tappert