„Wir können uns keine Fehler leisten“

Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) ist mit 35.000 Wohnungen der größte Vermieter in der Stadt – und bezieht nächste Woche einen neuen Firmensitz. Kein anderes Unternehmen stellt so viele Wohnungen für Flüchtlinge bereit. Wir sprachen darüber mit den Geschäftsführerinnen Gabriele Haase und Ute Schäfer.


Frage: Was kann die LWB tun, um bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu helfen?
Im vergangenen Jahr haben wir im Durchschnitt pro Monat 50 Wohnungen an Asylsuchende vermietet. Das sind immerhin 600 Haushalte im Jahr. Rein rechnerisch ist das beinahe ein Viertel unserer gesamten Neuvermietungen gewesen. Zudem haben wir die Gemeinschaftsunterkünfte in der Markranstädter Straße und der Pittlerstraße hergerichtet und 2014 zur Verfügung gestellt.
Ute Schäfer: In der Könneritzstraße 58 bereiten wir jetzt eine weitere Gemeinschaftsunterkunft mit 40 bis 50 Plätzen vor. Darüber hinaus wächst natürlich die Nachfrage nach Einzelwohnungen.

Sie verfolgen also weiter das Konzept der dezentralen Unterbringung, obwohl dieses Jahr 5000 Flüchtlinge kommen sollen?
Ute Schäfer: Es gibt kein separates LWB-Konzept, sondern städtische Prioritäten. Als kommunales Unternehmen tragen wir natürlich in besonderer Weise Verantwortung und agieren in enger Abstimmung mit der Stadt. Die LWB sieht sich mehr in der Pflicht, Wohnungen für die dezentrale Unterbringung zur Verfügung zu stellen oder auch solche Projekte wie in der Könneritzstraße zu realisieren. Nach unserer Meinung sind diese auch besser für eine Integration der Asylbewerber geeignet.
Gabriele Haase: Ein Problem bei den Einzelstandorten ist es, eine hohe Betreuungsdichte zu organisieren.

Hat Sie der jetzige Ansturm kalt erwischt?
Gabriele Haase: Wir hatten bereits vor zwei Jahren eine Asylbewerbersprechstunde im LWB-Servicekiosk in der Konradstraße ins Leben gerufen. Dort werden viele spezielle Anliegen von Mietern und Mietinteressenten aus aller Herren Länder besprochen. Jeder Fall ist natürlich ein Einzelfall und sowohl unsere Mieterbetreuer als auch die Vermieter sind bestrebt, für alle Seiten gute Lösungen zu finden. Was die Sprachbarrieren betrifft – da arbeiten wir zum Beispiel mit dem Verein Internationale Frauen zusammen. Allein könnten wir das Sprachproblem sonst gar nicht bewältigen. Zudem haben wir verschiedene Schulungen für unsere Mitarbeiter organisiert, um das Wissen über unsere ausländischen Kunden zu verbessern. Dabei ging es auch um ethnische Besonderheiten.

Keine Unterschiede zwischen Einheimischen und Asylbewerbern

Gibt es mit Ihren ausländischen Mietern besonders viele Probleme?
Gabriele Haase: Nein. Wir sehen keinen Unterschied zwischen Asylsuchenden und unseren einheimischen Mietern. Die Themen sind überall die gleichen: Lärm, Ordnung, Sauberkeit – also alles Dinge, die das Einhalten der Hausordnung betreffen. Wir haben inzwischen Hausordnungen in vielen relevanten Sprachen erstellt, damit die Regeln von jedem verstanden werden. Aber wie gesagt: Vom Sozialmanagement, unserer Ombudsfrau und auch dem Mieterbeirat, der vieles kritisch begleitet, wissen wir, dass es bei der Häufigkeit oder Art der Konflikte keinen Unterschied zwischen ausländischen und deutschen Bewohnern gibt.

Wie viele Flüchtlinge wohnen gegenwärtig insgesamt bei Ihnen?
Ute Schäfer: Das dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht erfassen. Ende 2014 haben wir eine Übersicht erstellt, wie viele Ausländer bei uns wohnen, also auch EU-Bürger oder Studenten aus aller Welt. Zu diesem Zeitpunkt waren das 2000 Personen aus mehr als 100 Nationen.

Hat die LWB noch genügend Wohnungen für weitere Asylbewerber frei?
Gabriele Haase: Auch bei der LWB sinkt aufgrund des starken Stadtwachstums der Wohnungsleerstand. Die Quote liegt derzeit bei rund fünf Prozent. Bei den Ein-Raum- oder Vier-Raum-Wohnungen ist praktisch nichts mehr frei. Nur bei den Drei-Raum-Wohnungen verfügen wir noch über größere Reserven.

Auf Wunsch der Stadt hat die LWB 7000 Quadratmeter Brachland an der Prager Straße für die Errichtung einer Gemeinschaftsunterkunft angeboten. Haben Sie noch weitere Flächen, die geeignet sind?
Gabriele Haase: Vorläufig stellen wir diese Fläche zur Verfügung, weil sie aus Sicht des Sozialamtes als zurzeit am besten geeignet erscheint. In Abstimmung mit der Kommune wird die LWB weiter nach passenden Grundstücken suchen.

Zugleich will die LWB selbst neue Wohnhäuser bauen. Wie sieht da der Stand aus?
Ute Schäfer: Wir haben eine moderate Wachstumsstrategie. Der Auftrag unseres Eigentümers, der Stadt Leipzig, lautet, den Marktanteil zu halten. Das heißt, wenn Leipzig wächst, wachsen wir mit. Die Zielmarke liegt derzeit bei 36000 Wohnungen. Das ist eine enorme Herausforderung, der wir uns zum Teil durch Neubauten und zum Teil durch Zukäufe stellen wollen. In Abhängigkeit davon, was der Markt anbietet, was wirtschaftlich sinnvoll ist und zu uns passt.

War es in der Rückschau falsch, dass Ihr Unternehmen viele Häuser verkauft hat?
Ute Schäfer: Wir mussten veräußern, um durch den Schuldenabbau überhaupt erst wieder eine gewisse Investitionsfähigkeit zu erlangen. In diesem Jahr konnten wir nun erstmals zwei Gebäude hinzukaufen. Sie sind beide komplett vermietet, befinden sich unmittelbar neben unseren eigenen Beständen in Schönefeld und in Gohlis. Insgesamt sind es 88 Wohnungen aus den Dreißiger- und Sechzigerjahren, die sehr gut zu unserem sozialen Auftrag und unseren Bewirtschaftungseinheiten passen. Wir werden auch künftig keine riskanten Immobiliengeschäfte tätigen und vorsichtig bei unserer Bestandsentwicklung vorgehen. Die wirtschaftliche Stabilität der LWB muss erst nachhaltig gesichert werden. Unsere Investitionskraft ist noch längst nicht so groß, wie es für die Stadt sinnvoll und notwendig wäre.

Was hat es mit den zehn Baugrundstücken auf sich, für die die LWB nun eine Architekten-Werkstatt durchgeführt hat?
Gabriele Haase: Beim Thema Neubau betreten wir einen Markt, auf dem andere bereits etabliert sind. Deshalb haben wir eine Auswahl von Potenzialflächen getroffen und den Architekten gesagt: Lasst euren Gedanken freien Lauf! Wir haben Ideen gesucht für das Bauen der Zukunft. In welcher Reihenfolge einzelne Grundstücke nun angegangen werden, das hängt unter anderem von Abstimmungen mit dem Stadtplanungsamt ab.

An der Wintergartenstraße soll es doch aber 2016 mit neuen Häusern losgehen?
Gabriele Haase: Die Wintergartenstraße ist das schwierigste von allen Baugrundstücken, die der LWB gehören und für den Neubau in Frage kommen. Das hängt mit dem benachbarten Hochhaus, Tiefgaragen, der räumlichen Enge und dem schwierigen Baugrund zusammen. Nachdem unser Aufsichtsrat am 17. September der Errichtung der beiden Wohnhäuser hinter dem neuen LWB-Unternehmenssitz zugestimmt hat, möchten wir noch dieses Jahr den Bauantrag einreichen. Läuft alles nach Plan, könnte in einem Jahr mit dem Bau begonnen werden.

Stichwort Firmensitz – haben Sie schon alle Kisten für den Umzug gepackt?
Ute Schäfer: Natürlich. Das läuft wie zu Hause auch. Entrümpeln, aufräumen, packen – immer mal wieder Luft holen – und dann umziehen, so ist der Ablauf. Deshalb arbeiten bei uns schon seit Monaten Teams an der Vorbereitung. Der Umzug wird vom 15. bis 19. Oktober stattfinden. Ab 20. Oktober sind wir in der Wintergartenstraße 4 erreichbar.

Wie kam es eigentlich dazu, dass ausgerechnet Leipzigs größter Vermieter keinen eigenen Unternehmenssitz hatte?
Ute Schäfer: Das hat vor allem mit unserer Geschichte zu tun. Als das Unternehmen zentrale Funktionen in der Prager Straße 21 konzentriert hat, stellte sich die Frage nach einem Neubau nicht. Die LWB war hoch verschuldet und wäre nie in der Lage gewesen, selbst zu bauen. In diesem Jahr läuft der Mietvertrag aus. Langfristig betrachtet ist es sogar günstiger, das Unternehmen in einem eigenen Haus unterzubringen – ganz davon abgesehen, dass wir mit dem Neubau das städtische Vermögen mehren. Es ist schön, dass uns das gelungen ist. Und dass die Stadt das Vertrauen in uns hatte, so ein städtebaulich wichtiges Projekt im Umfang von nahezu 20 Millionen Euro zu meistern.

Zentrale Aufgabe ist die Versorgung einkommensschwacher Haushalte

Im Rahmen des wohnungspolitischen Konzeptes der Stadt soll die LWB weitere Aufgaben schultern. Vor allem für günstige Mieten und eine soziale Mischung in den Stadtteilen sorgen. Schaffen Sie das?
Gabriele Haase: Wir haben am wohnungspolitischen Konzept mitgewirkt. Die LWB wird alles tun, um ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden.
Ute Schäfer: Zu unseren zentralen Aufgaben gehört die Versorgung einkommensschwacher Haushalte mit Wohnraum. In den Stadtteilen, in denen die LWB Häuser besitzt, leistet sie im Auftrag der Stadt ihren Beitrag zur sozialen Mischung.

Im Kreuzstraßenviertel haben Sie Hunderte Wohnungen energetisch saniert. Und zwar so, dass die Modernisierungsumlage durch sinkende Energiekosten fast ausgeglichen werden konnte. Ist dieses Erfolgsmodell auf die 9600 Plattenbauwohnungen übertragbar, bei denen noch dringender Handlungsbedarf besteht?
Gabriele Haase: Bei diesen teilsanierten Plattenbauten wird die Orientierung der Stadt im Wesentlichen erfüllt, dass die Wohnungen nach der Sanierung im gleichen Preissegment liegen wie vorher.

Welche Standorte kommen zuerst dran?
Gabriele Haase: Ob in Schönefeld, Paunsdorf oder Grünau – wir haben überall Standorte, bei denen wir überhaupt nicht wählen können. Bei den haustechnischen Anlagen sind wir oftmals schon aus rechtlichen Gründen gezwungen, Verbesserungen an Dächern, Steigleitungen oder Fassaden zu schaffen. Um die Entscheidungen über die Reihenfolge auf solider Basis zu treffen, erarbeiten wir gemeinsam mit der Firma DSK Städtebau ein Konzept, das im Spätherbst vorliegen soll. Dann wissen wir auch, was das kostet und welche Investitionen wir uns wann leisten können.
Ute Schäfer: Die LWB hat sich mit viel Mühe Handlungsspielräume erarbeitet, die wir für die Stadt nutzen wollen. Auch zum Bau weiterer Kindergärten. Doch alle diese Entscheidungen müssen sitzen. Wir können uns dabei keine Fehler leisten. So stabil ist das Unternehmen noch nicht.

Interview: Björn Meine. Jens Rometsch

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 10.10.2015