„Wir hoffen auf einen Zuschlag“


Existenzsorgen trotz Erfolgsbilanz – die Zukunft des Theatriums hängt von Jugendamt-Entscheidung ab – Interview der Leipziger Volkszeitung vom 10./11.12.2011:

Vom maroden Plattenbau ging es ins schicke neue Domizil: Vor einem Jahr eröffnete das Theatrium in der Alten Salzstraße. Wir sprachen mit Geschäftsführerin Beate Roch über die bisherige Bilanz und Aussichten für 2012 – die wegen anhaltender Spardiskussionen mal wieder nicht allzu rosig scheinen. Am Montag fällt das Jugendamt eine wichtige Entscheidung.

Frage: Wie lautet das Fazit nach zwölf Monaten in der neuen Spielstätte?

Beate Roch: Es war ein unheimlich tolles Jahr. Zwar werden wir immer noch ab und zu von technischen Tücken überrascht, aber das ist wahrscheinlich normal. Viel wichtiger ist: Das Haus wird angenommen, sowohl von den Kindern und Jugendlichen als auch von den Zuschauern.

Gibt’s Zahlen?

Im Vergleich zum letzten Jahr im alten Theatrium haben wir rund 42 Prozent kleine und große Zuschauer mehr: 4900 Besucher also. Und der Zulauf zu unseren Kinder- und Jugendtheaterprojekten ist enorm. 40 neue Interessenten haben sich Ende August bei uns angemeldet, so dass wir neben den bestehenden fünf Gruppen zwei zusätzliche Projekte aufmachen mussten. Seit September gibt es unsere drei Werkstätten für Stückeschreiber, für Werbefreaks und für Leute, die sich für Kostüm und Maske interessieren. Wöchentlich sind so 95 Kinder und Jugendliche bei uns im Haus zugange.

Wegen finanzieller Engpässe hat das Theatrium beim Kultur- und beim Jugendamt Anträge auf höhere Förderung gestellt. Der Jugendhilfeausschuss beschließt am Montag über die Fördersummen. Welche Chancen sehen Sie fürs Theatrium?

Die Bundesregierung hat ja beschlossen, die Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt auslaufen zu lassen. Uns trifft es besonders hart, da wir ab September 2012 ohne zusätzliche Förderung von zehn Mitarbeitern nur noch vier zur Verfügung hätten. Damit kann man ein Haus mit so vielen Projekten nicht stemmen. Uns ist schon klar, dass die Stadt diese wegfallenden Stellen und damit Finanzierungsmöglichkeiten nicht alle kompensieren kann. Trotzdem hoffen wir auf die Erkenntnis der Politiker, dass das neue Theatrium einfach mehr Geld benötigt als vorher.

Warum sollte die Stadt gerade Ihr Projekt mehr fördern, wenn alle an der Stadtkasse Schlange stehen?

Ich würde da gern an den besagten Erfolg der letzten zwölf Monate erinnern. Außerdem ist es nicht nur so, dass wir im neuen Haus mit den tollen Räumlichkeiten einen Riesenzulauf an Projektbeteiligten und Zuschauern hatten. Auch die Zusammensetzung der Projekte hat sich verändert. Wir haben gerade in den Kindertheaterprojekten mehrere Förderschüler sowie Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Und wer sagt, dass Kinder und Jugendliche aus Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien keine Probleme haben? Die genau übrigens in der Theaterprojektarbeit thematisiert werden.

Dafür sind Sie als Gesamtprojektleiterin zuständig…

Dafür reicht eine Sozialpädagogin im Haus aber nicht mehr aus. Wir haben eine große Verantwortung, die nun, wie sich erwiesen hat, bei den großen Herausforderungen im neuen Haus einfach mehr theater- und sozialpädagogisches Personal erfordert. Wir brauchen fest angestellte Theater- oder Sozialpädagogen, die nicht nur in der Woche auf Honorarbasis zwei Stunden Projekt machen, sondern die Jugendlichen auch sozialpädagogisch betreuen.

Was nichts daran ändert, dass die Stadt bei den städtischen Kultureinrichtungen sparen muss.

Das wissen wir. Wir hoffen auf eine Ausnahme. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und wir sind von Grund auf Optimisten. Wir hoffen, dass der Fachausschuss Kultur uns in seiner Beratung einen Zuschlag gegeben hat. Wie der Jugendhilfeetat verteilt wird, ist ungewiss. Das wird sich Montag herausstellen.

Welche Eigenleistungen bieten Sie?

Wir werden an uns selbst sparen, also keine Tariferhöhungen und kein Weihnachtsgeld, was wir sowieso nie gezahlt haben. Wir haben bereits dieses Jahr dezent die Eintrittspreise sowie den Eigenbeitrag für die Teilnahme des alljährlichen Probenlagers erhöht und werden dies 2012 nochmals tun. Wir haben unsere Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln können und planen eine Erhöhung auch für 2012. Wir werden verstärkt Spenden einwerben und uns für Förderprogramme bewerben.

Bisher deutet alles auf einen jährlich neuen Kampf um die Existenz, ohne Aussicht auf Änderung.

Uns fehlen fürs nächste Jahr 35 000 Euro, um auf dem jetzigen Niveau weitermachen zu können. Wir hoffen, dass wir mit Kultur- und Jugendamt eine langfristige Lösung für das Haus finden. Gibt es die nicht, besteht die Gefahr, dass es das Theatrium ab September 2012 mit seinen Angeboten nicht mehr gibt. Aber wie gesagt: Wir sind von Grund auf Optimisten.

Interview: Mark Daniel

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 10/11.12.2011


Nachtrag:

Die Teilnahme hat sich gelohnt: Beim Wettbewerb um den Jugendkunstpreis Sachsens konnte das Theatrium für sein Jugendtheaterprojekt „Casablanca – das Musical“ am Samstag in Leipzig den Publikumspreis aus dem Theater der Jungen Welt nach Hause nehmen. Schon beim letzten Mal bekamen die Grünauer Theatermacher in der Kategorie Darstellende Kunst den Jugendkunstpreis – eine begehrte Auszeichnung, die alle zwei Jahre von der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung ausgelobt wird.

Letztmalig ist die schwungvolle „Casablanca“-Inszenierung am 6. und 7. Januar zu sehen, jeweils 20 Uhr in der Alten Salzstraße.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 12.12.2011