„Wenn der Rapper bei Oma sitzt“


Knapp 400 Menschen tanzen durch Leipzigs größten Stadtteil: Das Grünau-Video „Hello Sunshine (zwischen den Blocks)“ zeigt Vielfalt und ist zugleich ein Anti-Ghetto-Projekt. Das Besondere daran: Das zehnminütige Video wurde mit einer einzigen Kamerafahrt gedreht. Es erobert gerade das Internet.
MDR.de/Sachsen-Beitrag vom 27.10.2016

Omas tischen Kaffee auf, ein Rapper sitzt im Wohnzimmer und 400 Personen tanzen zwischen Plattenbauten. Das Grünau-Video „Hello Sunshine (zwischen den Blocks)“ erobert gerade das Internet. Das Filmprojekt zeigt in einem besonderen Format, wie vielfältig das kulturelle Leben in der Leipziger Plattenbausiedlung Grünau ist. „Wir wollen zeigen, dass es hier ganz viele engagierte Menschen gibt, die sich für den Stadtteil einsetzen“, sagte Projektleiter Oliver Kobe. „Diese Menschen wirken mit ihrer Arbeit für das Gemeinwohl und somit für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“

An dem Videoprojekt beteiligten sich knapp 400 Menschen aus Schulen, Vereinen, Initiativen sowie Künstler aus dem Stadtteil. Während einer 700 Meter langen, dynamischen Kamerafahrt durch Grünau tanzen und singen sie zu einem eigens komponierten Song der Musiker Neo Kaliske, Susann Großmann und Padshah. Letzterer ist seit zehn Jahren in dem Stadtteil aktiv und sitzt am Anfang des Clips auf Omas Couch. Die Kamerafahrt führt von der Alten Salzstraße an der Friedrich-Fröbel-Grundschule entlang bis hin zum kleinen Marktplatz an der Stuttgarter Allee.

Lipdub-Video mit einer einzigen Kamerafahrt

Bei dem Filmprojekt handelt es sich um einen sogenannten Lipdub-Clip. Diese besondere Form von Musikvideos verbreitet sich seit einigen Jahren im Netz. Das Besondere dabei ist, dass der Clip in einer einzigen Kamerafahrt ohne Schnitt aufgenommen wurde. Alle Mitwirkenden kommen an einem Drehtag zusammen und zeigen in einem vorher eingeübten Ablauf eine Performance. Dabei tanzen sie und bewegen ihre Lippen zu dem Song, der im Hintergrund eingespielt wird. „Eine große Aufgabe war es, ein Team aus Musikern und Songwritern zusammenzustellen, die ein Bezug zum Stadtteil haben“, erklärte Kobe. Zudem sollte ein Song entstehen, der „mitreißt, aber nicht abgedroschen klingt“.

Clip gegen Stigmatisierung der Plattenbausiedlung Grünau

Was wie ein lustiges Kulturprojekt klingt, ist in Wahrheit eine Initiative gegen die Stigmatisierung von Grünau als Problemviertel. Nicht selten gelten Plattenbausiedlungen als neue Ghettos und leiden unter einem schlechten Ruf. Als „plumpen Imagefilm“ möchte Kobe das Video jedoch auf keinen Fall verstanden wissen.

Von Rappern, Omas, Skateboardern und Posaunisten

Vielleicht genau deshalb sieht man in dem Video querbeet viele gesellschaftlichen Gruppen. Von Senioren über Rapper, Karnevalisten und Gardemädchen, Tänzer, Kinder, Eishockeyspieler, Skateboarder, Cheerleader, Baseballer, Blaskapellen und sogar einen Pfarrer. „Kulturelle Arbeit bringt Identifikation und auch Integration vieler verschiedener Menschen“, sagte Kobe. Zusammenhalt und Verständnis sei wichtig, besonders in einer Zeit, in der oft Unterschiede und auch Unverständnis betont würden.
Was leichtfüßig daherkommt, hat allerdings einer langen Planung bedurft. Seit Februar liefen die Vorbereitungen für das umfangreiche Projekt. Initiator ist das Leipziger soziokulturelle Zentrum „Die Villa“.

Uraufführung im Leipziger Cineplex-Kino
Vor etwa 300 neugierigen Gästen wurde das Video am vergangenen Dienstag im Leipziger Cineplex-Kino gezeigt. „Die Grünauer haben unsere Premiere unter großem Applaus gefeiert“, sagt Kobe. „Jetzt können wir der ganzen Welt zeigen, wie vielseitig unser Stadtteil ist.“

Plattform für Netzwerke und Identität in Grünau

Zukünftig kann das Video von allen 35 beteiligten Akteursgruppen sowie vom Quartiersmanagement, Wohnungsbaugemeinschaften und politischen Delegationen verwendet werden. Produziert wurde der Film von der Lumalenscape GmbH. „Der Clip ist eine Plattform für Netzwerke und auch die Identität Grünaus“, erklärte Kobe.


Das Video, alle Details der Dreharbeiten sowie alle Mitwirkenden sind abrufbar auf:
www.wir-sind-gruenau.de .


Katrin Tominski

Quelle: MDR.de/Sachsen-Beitrag vom 27.10.2016