Verein zur Förderung der Lernförderschule Grünau betreibt seit zwölf Jahren Schülercafé – Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 25.10.2010:
Sie sind nicht in der Lage ihre Freizeit zu organisieren, den Schulstress zu bewältigen, eine Ausbildungsstätte zu finden oder in den Urlaub zu fahren. Mit solchen Problemen müssen sich Jugendliche aus Förder- und Sonderschulen täglich auseinandersetzen. Hilfe bietet der Förderverein der Lernförderschule. In Grünau unterhält er seit zwölf Jahren ein Schülercafé.
„Es sind aber nicht die Rollstuhlfahrer, die Blinden und die geistig Behinderten, denn für diese Menschen gibt es eine gesellschaftliche Lobby“, erklärt der Vereinsvorsitzende Johannes Falk. Die weitaus größere Gruppe sind Lernbehinderte, die es schwer hätten, ihren Bedarf an Hilfe und Unterstützung auszusprechen. „Normgerechtes Verhalten“ werde von ihnen erwartet, weil auf den ersten Blick ihre Hilflosigkeit nicht zu erkennen ist. Missverständnisse und Misstrauen bestimmen den Alltag und verstärken die Probleme zusätzlich. Falk weiß wovon er spricht: „Meine geistig behinderte Tochter besuchte die Förderschule, mittlerweile ist sie 32 Jahre und arbeitet in einer Behindertenwerkstatt“, erklärt der 63-jährige Vorruheständler.
Der Förderverein besteht seit 1992 und habe sich immer als „Anwalt“ der Förderschüler verstanden: „Wir haben in all den Jahren festgestellt, dass viele Schüler ihre Freizeitinteressen in ihren Familien nicht verwirklichen können. Entweder können die Eltern aus finanziellen Zwängen und Arbeitslosigkeit die Wünsche ihrer Kinder nicht erfüllen, oder sie sind u201Aintellektuell‘ dazu nicht in der Lage.“ Deshalb haben die Mitglieder vor zwölf Jahren innerhalb der Schule ein Schülercafé eingerichtet. Dort bieten deren Mitarbeiter den Lernförderschülern unter fachlicher und pädagogischer Anleitung viele Freizeitmöglichkeiten an. So können die Schüler Dart spielen, Billard, Tischtennis oder Fußball. Auch ein eigenes Schülerradio betreibt das Café, die Eisenbahn AG erfreut sich großer Beliebtheit und für die Schüler werden Exkursionen in Betriebe und Themennächte organisiert. Darüber hinaus sind die Mitarbeiter Ansprechpartner für die Probleme der Schüler, helfen bei den Hausaufgaben, bei Behördengängen oder beim Planen von Urlauben. Das Schülercafé wird derzeit von zwei Mitarbeitern, deren Beschäftigung über Fördermaßnahmen erfolgt, getragen. Das Schülercafe ist während der großen Pausen und nach Schulschluss bis 16 Uhr geöffnet. Neben den Förderschülern nutzen aber auch deren Freunde aus dem Wohngebiet das Angebot.
Stolz ist Falk auf die Durchführung von fünf Fahrradtouren jährlich durch zwei bis drei Bundesländer unter dem Motto „Lernförderschüler kämpfen um Ausbildung und Arbeit“ (LVZ berichtete). „Damit wollten wir der Wirtschaft zeigen, zu was Lernförderschüler in der Lage sind, wenn sie gefordert werden.“ Eine besondere Herausforderung war die Teilnahme am Charitylauf von Berlin nach Leipzig im Mai vergangenen Jahres. Zwölf Schüler zwischen zwölf und 16 Jahren legten rund 180 Kilometer zurück.
Seit 2009 läuft über den Verein das „Projekt zur Verbesserung der Chancen bei der beruflichen und sozialen Eingliederung lernbehinderter Jugendlicher in einem sozialen Brennpunkt der Stadt Leipzig“. Das Projekt wird über die „Aktion Mensch“ finanziert und sei bisher gut angelaufen. Birgit Franzelius vom Förderverein betreut das Projekt, in dem sie die Lernförderschüler beim Finden und Umsetzen von beruflichen Zielen unterstützt. Dazu zählt auch die Integration in Bereiche der beruflichen Weiterbildung, wie ein Berufsvorbereitungsjahr oder eine Ausbildung mit Lehrvertrag. Der Förderverein stärke zudem die Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Lernen-Fördern Stuttgart.
Für Falk steht fest, dass die Lernförderschüler einen schlechten Stand in der Gesellschaft haben. Das liege daran, dass sie aufgrund ihrer Defizite wenig Vertrauen in ihre eigene Person und somit Hemmungen haben, sich selber in die Gesellschaft zu integrieren. „Man muss ihnen mehr Verantwortung übertragen und nicht sagen, dass u201Amit dir sowieso nichts wird'“, erklärt Falk. Er wünscht sich, dass diese Probleme in der Gesellschaft mehr Anerkennung und Toleranz finden und die Wirtschaft für diese Jugendlichen offener wird, „denn nur durch Integration in der Gesellschaft, bezogen auf Ausbildung und Arbeit, kann bei vielen ein sozialer Abstieg verhindert werden“. Barrieren bei der Antragstellung auf Hilfeleistung für Eltern und Jugendliche müssten seiner Meinung nach abgebaut werden. Sponsoren sollten ein größeres „Geberherz“ zeigen.
„Erwähnenswert ist für mich auch, dass alle Aktionen des Vereins nur möglich waren, weil es in den ganzen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Verein, der Schulleitung und den Lehrern gab.“ Nannette Hoffmann
Quelle (Text + Foto): Leipziger Volkszeitung vom 25.11.2010