„Unglaublich sauber: Der Untergrund von Grünau“

Die Lebensadern des Stadtteils liegen bis zu zwölf Meter tief im Boden – LVZ vom 11./12.06.2016:

Vor 40 Jahren war von der kilometerlangen unterirdischen Grünauer Tunnelwelt keine Rede. Alle freuten sich über fernbeheizte Häuser, die in die Höhe wuchsen. Die Erstversorgung mit Wärme, Wasser, Strom erfolgte anfangs provisorisch. Doch bereits ab 1975 wurden die ersten vier Wohnkomplexe (WK) über sogenannte Sammelkanäle erschlossen. Heute erstrecken sich über den Stadtteil rund acht Kilometer begehbare Leitungsstränge. Gestern gewährten die Leipziger Stadtwerke und die Wohnungsgenossenschaft „Lipsi“ Medienvertretern erstmals Einblick in die unsichtbaren Lebensadern.

Kaum jemand kennt das Labyrinth der bis zu zwölf Meter tief liegenden Magistralkanäle. Brauchen wir Gummistiefel? Wird es kalt sein? Gibt es genügend Licht? Als das neugierige Dutzend hinter Betriebsingenieurin Angela Zebisch sowie Netz-Meister Ingo Büßert von Netz Leipzig das Einstiegsbauwerk nahe der Grünauer Allee betritt, sind alle verblüfft: Das ist ja gar kein Ort zum Gruseln! Keine Fledermäuse. Keine Spinnweben. Alles hell, sauber, trocken, belüftet. In riesigen, alle 500 Meter mit einer Brandschutztür versehenen, Gängen liegen Fernwärmerohre, Trinkwasserleitungen sowie Strom-, Telekommunikations- und Datenkabel friedlich nebeneinander, aufgereiht auf Kabelpritschen, wie in einem überdimensionalen Kellerregal. Die Versorgungshauptadern waren Voraussetzung für die Entstehung des Stadtteils und gewährleisten noch immer den Komfort der Grünauer.

„Ich bin überrascht, wie gut alles gewartet ist“, sagt Martin Meigen (68), der vor 40 Jahren als junger Mitarbeiter des Energiekombinats alles mit aufbaute. Seit Wilhelm Grewatsch, heute Vorstandsvorsitzender der „Lipsia“ 1979 in den WK 1 gezogen ist, habe auch er die Entwicklung mitverfolgt. „Von den rund 40.000 Grünauern, die derzeit aus diesen Leitungen Wärme bekommen, sind immerhin 7.000 Lipsianer“, betont er. Mehr als jede dritte Leipziger Wohnung wird heutzutage fernbeheizt. „Dafür liegen auf 470 Kilometern Leitungen in der Erde“, erklärt Jens Großmann, Leiter Produktmanagement der Stadtwerke.

Mit schützenden Helmen geht’s kreuz und quer unter der S-Bahn hindurch durch die mannshohen Kanäle, die in dieser Dimension ihresgleichen suchen. Alle 200 Meter bietet ein Notausstieg mit Paniköffnung Gelegenheit zum Auftauchen. An der Gärtnerstraße stoppt der Tross. Über 13 Leitersprossen geht es wieder es hinauf ans Tageslicht.

Cornelia Lachmann

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 11./12.06.2016