„Terror der Romantik“

Neue Inszenierung „Bekenntnisse“ im Theatrium thematisiert treffend jugendliche Liebesideale
LVZ-Artikel vom 10.06.2013:


Die Musik ist aus, die Bierflaschen sind leer, die Wangen glühen vor Erschöpfung – das Ende einer durchgefeierten Nacht. „Der perfekte Moment. Den, den alle immer suchen. Wir haben ihn!“ Doch eine Person fehlt, mit der jeder im Raum diesen Moment gern teilen würde: Luca, bester Freund, beste Freundin, Liebes- und Sehnsuchtsobjekt, was auch immer. Warum sie nicht da ist, löst sich erst kurz vor Schluss der Handlung auf.

Die Jungschauspieler des Projekts „Bekenntnisse“ am Theatrium beschäftigten sich vor der Premiere ein dreiviertel Jahr lang mit den Themen „Sehnsucht“ und „Idealisierung“. Luca, die Person ohne Geschlecht, entwickelte sich dabei zur kollektiven Projektionsfläche. Sie erscheint am Freitagabend in szenischen Rückblenden auf der Bühne und verkörpert all das, was der Facebook-Mainstream für erstrebenswert hält: Lässigkeit, Attraktivität, Spontaneität.
Es tut schon fast weh, die ebenso oberflächlichen Figuren bei ihrer verzweifelten Suche nach Liebe zu beobachten. „All das kitschige Zeug“ aus den romantischen Hollywood-Komödien wolle sie auch erleben, wünscht sich da eine perfekt gestylte Schöne ins Mikrofon. Oder, noch schlimmer: Mr. oder Mrs. Right soll gefälligst „hören, wie mein Herz pocht, wenn wir uns in den Armen liegen“. Dass das Leben aber kein Film ist, geht in keinen dieser hübsch frisierten Köpfe.
Projektleiter Thomas Blum und Katja Fischer porträtieren in „Bekenntnisse“ eine Generation, die sich auch in Sachen Liebe von Konsum und Marktregeln leiten lässt. Sei perfekt für mich, dann bin es auch ich für dich. Ob Mensch oder Ding: Die Objekte des Begehrens wirken völlig austauschbar. Absurd die Szene, in der die Darsteller zum feierlichen „Ave Maria“ einen High Heel anschmachten.
Nur an ganz wenigen Stellen gibt es Brüche. Ein Mädchen stellt sich gegen die Gruppe, spricht von „scheiß Selbstbeweihräucherung“, als sich jeder von ihnen mit einem beschrifteten Pappkarton („treu“, „modisch“, „sexy“) vor dem Publikum aufbaut. Sie wird am Schluss kollektiv mit roter Farbe beschmiert.
Wenig versöhnlich, dieses Ende. Und absolut unsympathisch, dieser narzisstische Haufen. Aber eben auch leider ziemlich treffend. Wie meinte doch die Soziologin Eva Illouz, Autorin von „Der Konsum der Romantik“, in einem Interview? „Die Konsumkultur hat unsere Ideale und Werte verändert. ( ) In der Liebe entfaltet der Konsum seine perverse Macht und Schönheit.“ Warum sollten dem Jugendliche nicht auf dem Leim gehen? Ob das wünschenswert ist, bleibt eine andere Frage.

Verena Lutter


Weitere Aufführungen am 14. Juni, 5. und 6. Oktober sowie am 8. November um 20 Uhr im Theatrium Grünau (Alte Salzstraße 59)
Eintritt 7,50/4,50 Euro, Reservierung unter Telefon 0341 9413640 oder per Mail an theatrium@gmx.de


Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 10.06.2013