„Stadträte streiten über hohe Kosten für zwei neue Flüchtlingsheime „

15,5 Millionen Euro für Unterkünfte am Prager Dreieck und in Diezmannstraße dann doch bewilligt
LVZ vom 26./27.03.2016

Zwei kleine Siedlungen für Flüchtlinge sollen binnen weniger Monate am Prager Dreieck (gegenüber vom Technischen Rathaus) sowie in der Diezmannstraße aus dem Boden gestampft werden. Nach kontroverser Debatte gab der Stadtrat dafür insgesamt 15,7 Millionen Euro frei. Vor allem die CDU verlangte, dass die Projekte normal ausgeschrieben – statt per vierfach überarbeiteter Eilvorlage im Stadtrat „durchgepeitscht“ zu werden. „Wir befinden uns nach wie vor in einer Notsituation“, hielt Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) dagegen, auch wenn derzeit weniger Menschen nach Deutschland kämen. Die Situation: 6.895 Flüchtlinge sollen laut Ankündigung des Freistaates Sachsen der Stadt Leipzig 2016 zugewiesen werden. Die Kommune geht zumindest von 4.000 Menschen aus (2015: 4.270) Darauf wolle man vorbereitet sein. „Keine Turnhallen mehr, Zelte abbauen und die Messehallen leer bekommen, das ist unser Ziel“, bekräftigte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Derzeit sind die vorhandenen Unterkünfte belegt, einige fallen demnächst weg. So wird im April das ehemalige Interpelz-Gebäude am Brühl als Asylbewerberunterkunft geräumt. Freigelenkt werden künftig die Halle 17 auf der Alten Messe sowie ehemalige Schulen, die für den Unterricht von Grundschülern saniert werden müssen. „Hier geht es darum, dass Menschen menschenwürdig untergebracht werden“, sagte Katharina Krefft (Grüne).

Am Prager Dreieck soll nun eine Anlage mit 346 Plätzen für Flüchtlinge entstehen, im Notfall bis zu 516 Menschen. Es handelt sich um Häuser mit Zwei-Zimmer-Wohnungen, die über je eine Küche mit Aufenthaltsbereich und eine Sanitärzelle verfügen. Sie können langfristig – also auch für andere Zwecke wie Sozial- oder Studentenwohnungen – genutzt werden. (Kosten: 6,72 Millionen Euro).

In der Diezmannstraße in Kleinzschocher ist das anders. Die Gemeinschaftsunterkunft in Modulbauweise für 500 Menschen (Kosten: 8,27 Millionen Euro) wird zwar mindestens fünf Jahre betrieben. Dauerhaftes Wohnen ist in den zehn Häusern aber nicht vorgesehen – sie seien für eine Nachnutzung etwas als Büro- oder Gewerbepark geeignet. Das Objekt Diezmannstraße sei viel zu teuer, betonte Michael Weickert (CDU). „Es ist unsere Aufgabe, sorgsam und sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen.“ Eine Blankovollmacht für die Verwaltung könne es nicht geben.

AfD und Linke kritisierten den geplanten Kaufpreis für das Grundstück, der von 450.000 auf bis zu 700.000 Euro gestiegen sei. Die Linke beantragte, ihn auf 450.000 Euro zu deckeln. Davor warnte Jung: „Dann können wir das Grundstück vergessen. Wir sind in einer Zwangslage, die Preise gehen durch die Decke.“ Dieter Deissler (Wählervereinigung) meinte angesichts des Kaufpreises, dass davon Signale an den Immobilienmarkt ausgingen, die eine Spirale in Gang setzen würden. Letztlich wurde 550.000 Euro als Obergrenze für den Grundstücksankauf festgelegt.

Christoph Zenker (SPD) bemängelte, dass vom Liegenschaftsamt immer wieder zu hören sei, dass bei Grundstückskäufen der Marktpreis leider über dem Verkehrswert liege, bei Verkäufen hingegen zum Verkehrs- beziehungsweise Bodenwert. Bürgermeister Uwe Albrecht (CDU) wies entschieden zurück, dass seine Mitarbeiter Vorschläge in den Stadtrat einbringen würden, welche zum Schaden Leipzigs wären.

Die CDU kritisierte, dass die Stadt unter Vorgabe der Eilbedürftigkeit die Ausschreibung umgehe. „Wir müssen ihnen hier blind vertrauen und stochern im Nebel“, attackierte Fraktionschef Uwe Rothkegel die Baubürgermeisterin. Er kenne die 20 eingeholten Angebote nicht und stellte in den Raum, dass es eins gäbe, welches um vier Millionen preiswerter sei. Noch immer könne man eine Ausschreibung machen. Das Verfahren sei gewählt worden, betonte Dubrau, weil der Bund als Gesetzgeber es zur Beschleunigung der Bauten für Flüchtlinge empfohlen habe. Normale Ausschreibungen dauerten bis zu einem dreiviertel Jahr. „Das ist ein enormer Zeitverlust, wir benötigen die Plätze aber dieses Jahr.“

Bei der Abstimmung zum Prager Dreieck stimmten 39 Stadträte zu, 19 lehnten das Projekt ab und drei enthielten sich der Stimme. Zum Projekt Diezmannstraße gab es 32 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Vor allem die CDU und die AfD waren dagegen.

Mathias Orbeck

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 26./27.03.2016