„Sozialrendite statt Profit“

Plattform Leipziger Wohnungsgenossenschaften beziffert gemeinnützigen Mehrwert auf 2,2 Millionen Euro pro Jahr
Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 23.10.2010:

Wohnungsgenossenschaften, zumal in Leipzig, erleben zurzeit eine Renaissance. Das verkündete gestern zumindest Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften, aus gegebenem Anlass. Der Verband habe gemeinsam mit vier Leipziger Mitgliedsunternehmen, die in der Plattform „Wohnen bei uns“ zusammengeschlossen sind, erstmals eine wissenschaftliche Studie zu Sozialrendite und Mitgliederrendite erarbeitet.
Demnach beträgt die Sozialrendite der vier – Unitas, Wogetra, Vereinigte und Leipziger Baugenossenschaft – für das vergangene Jahr 6,1 Prozent, also 2,2 Millionen Euro, stellte Viehweger fest. Und erklärte: „Wohnungsgenossenschaften sind moderner denn je. Das ist nur vielen erst nach der Finanzkrise aufgefallen, bei der niemand von uns in den Strudel windiger Geldanlagen geraten ist. Die Genossenschafter sind nicht dem Profitstreben anonymer Eigentümer ausgesetzt. Als Miteigentümer erhalten sie eine Sozialrendite statt Profit.“
Erarbeitet wurde die Studie durch das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig. Demnach bezeichnet der Begriff Sozialrendite den Ertrag, der über die klassische Eigenkapitalrendite eines Unternehmens hinaus für die Mitglieder und alle Leipziger erwirtschaftet wird. Der größte Teil der Sozialrendite komme aber den Genossenschaftsmitgliedern selbst zugute, so der Zentrumsdirektor Professor Thomas Lenk. Er bezifferte diesen Anteil auf 5,1 Prozent, also etwa 1,8 Millionen Euro. Michaela Kostov, Vorstand der Vereinigten Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW), nannte einige Beispiele. So flossen allein 2009 über 300000 Euro für Seniorenarbeit, Schlichtung von Nachbarschaftskonflikten oder die Bereitstellung von Räumen für Gruppen. 260000 Euro wurden in die Gestaltung des Wohnumfeldes investiert. Noch mal fast 100000 Euro stellten die Plattform-Genossenschaften für Kultur und Vereine bereit.
„Wenn man bedenkt, dass die vier Plattformgenossenschaften im letzten Jahr Aufträge über 31 Millionen Euro an die regionale Wirtschaft vergeben haben, dann erschließt sich die immense wirtschaftliche Bedeutung vollends“, meinte Kostov. Dadurch seien extern 367 Arbeitsplätze mit allen Effekten für Steuereinnahmen und Konsum in Leipzig gesichert worden – zusätzlich zu den 160 festen Jobs bei den vier Genossenschaften selbst. „Das ist in diese Berechnung gar nicht eingeflossen.“
Die Plattformmitglieder wollten die Fakten nun vielfältig nutzen – zum Beispiel im Marketing und auch bei Verhandlungen mit der Kommune, wenn es etwa um das Thema Stadtumbau geht. Viehweger beschrieb die Perspektiven fast schon euphorisch: So sei der Wohnungsleerstand bei den Genossenschaften sachsenweit von 13,7 auf 8,7 Prozent gesunken, in Leipzig stünden von 56400 Wohnungen jedoch noch 7200 leer. Durch vielfältige neue Initiativen – etwa eine Kita bei der Lipsia, ein Kunsthaus bei der VLW oder eine gar nicht so teuere „mitalternde Wohnung“, die die Unitas 2011 als Prototyp für Leipzig einrichten will, würden neue Zielgruppen erreicht. Auch hätten immer mehr Genossenschaften wieder einen sehr guten Ruf bei den Banken sowie finanziell Luft für Investitonen, wie sie zum Beispiel die Leipziger Baugenossenschaft im großen Stil bei den „Grünen Höfen“ in der Südvorstadt und in Reudnitz tätigte. „Von unseren Mitgliedern wissen wir, dass sich viele heute vor allem mehr Gemeinschaft, Sicherheit und Geborgenheit wünschen“, so Kostov: „Dafür sind Genossenschaften prädestiniert.“
Jens Rometsch

Quelle (Text): Leipziger Volkszeitung vom 23.10.2010