„Sehr grün und ganz bunt“

Leipzig ist eine interessante Stadt und wunderschön. In diesem Sommer geht die LVZ mit Leipzigern auf Entdeckertour. Sie führt zu bekannten und weniger bekannten Orten. Wegbegleiter ist heute Jürgen Kasek. Der bündnisgrüne Kommunalpolitiker führt durch Grünau:

Jürgen Kasek (31) mag Grünau. Kein Wunder, denn hier vor allem hat der Sprecher der Leipziger bündnisgrünen Partei seine Basis, hier ist er seit über zehn Jahren Stadtbezirksbeirat und berät im Wahlbezirk das Volk in einem so genannten Quartierladen. Selbst in Markranstädt geboren und nun in Miltitz zu Hause, gibt es für Kasek auch sonst Bezüge zur Plattenbausiedlung.

Er kennt sie aus eigenem Leben ganz gut und weiß noch wie schön es war, als Junge in die Kulkwitzer Badewanne springen zu können. Dass heute dieser Badesee trotz Neuseenland nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hat, will der Grünau-Führer zunächst nicht unerwähnt lassen.“Grünau gleich Platte!?“ – Dieses Stigma will Kasek, der Rechtsanwalt von Beruf ist, gar nicht gelten lassen: „Grünau ist alle andere als monoton, sondern ist sehr grün. Ich kenne keinen zweiten Stadtteil Leipzigs, wo vor und zwischen den Wohnhäusern so viel Wiese und Garten zu finden ist.“ Die Aussage kann mit Fakten belegt werden: Grünaus Straßen werden von 6000 Bäumen gesäumt. Es gibt 9500 Parkbäume. Zwischen den Gebäuden wurden 65 Hektar Grünflächen angelegt. Sogar 70 Vogelarten wurden gezählt. Und Stickstoffdioxidwert wie Höhe der Feinstaubbelastung sind hier draußen weit unter den Messungen etwa für Leipzig-Mitte.
Der Grüne Kasek ist also guten Gewissens Grünau-Fan. Er spricht von einem „ganz eigenen Viertel, einer Stadt in der Stadt“, die ihre nach 1990 schnell entstandenen negativen Zuschreibungen mehr und mehr ablegen kann. Und das auch rechts der Lützner Straße. Hier war einst Kasernengebiet. Die Sowjets malträtierten das Gelände über fast 40 DDR-Jahre. Jetzt entstand eine schmucke Eigenheimsiedlung. Das neue Schönauer Viertel ist attraktiv. Bezeichnender Weise sind es meist die besser situierten Grünauer, die nur von einer Seite der Lützner auf die andere zogen, weil sie hier vornehmer wohnen können, ihre eigentliche Heimat aber nicht aufgeben wollten. Von der Kaserne künden zwei ehemalige Offiziershäuser, die saniert in der Landschaft stehen.
Grünau ist grün – und bunt dazu. Nahe der Brünner Straße, hat das Heizhaus, eine Skaterhalle, seinen nicht nur stadtbekannten Standort. Kasek spricht von einem „Eldorado der Jugendkultur“. 1000 Quadratmeter groß, hat sich die auch auf Vereinsbasis betriebene Einrichtung längst auch bis ins entferntere Bundesgebiet herumgesprochen.
Vom Jugend-Zentren zu den Kolonnadengärten in der Alten Salzstraße im Wohnkomplex 4. Als Vorzeigeprojekt von Stadt und Wohnungsbaugenossenschaft Pro Leipzig geschaffen, ging es hier darum, Abbruchflächen zu revitalisieren. Heute sind „richtige Bürgergärten“ (Kasek) daraus geworden.
Der Grünau-Spezi will die Saturnstraße vorstellen: „Hier wurde seitens der Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt gewagt und gewonnen.“ Aus klassischer Platte wurden durch Abtragen von Stockwerken und intelligente architektonische Lösungen Terrassenhäuser, die energetisch vorteilhaft betrieben werden. Die Kaltmiete ist höher, die Nebenkosten sind niedriger. Der Wohnraum ist begehrt.
„Grünau zeigt mehr Profil als manch anderer Teil meiner Heimatstadt. Hier steht man bewusst zu seinen Ecken und Kanten.“ Kasek meint damit eben auch die Plattenbauten, die bei aller Auffrischung ihre Herkunft nicht verleugnen. Aus einst DDR-privilegiertem Wohnraum wurde Wohnen für Nicht-Privilegierte. Die, so weiß Kasek, fühlen sich wohl und haben kaum Sehnsucht nach protziger Gründerzeit. Kasek: „Laut Umfragen leben sogar in Grünau die zufriedensten Mieter Leipzigs. Der Stadtteil funktioniert auch deswegen so gut, weil es unglaublich viele aktive Menschen gibt.“
Hier macht man was aus sich, obwohl in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast die Hälfte der Bewohner vor allem durch Wegzug abhanden kam. Dass dieser Negativ-Trend noch immer, wenn auch sehr verringert, anhält, hängt nun vor allem damit zusammen, dass viele Grünauer in Grünau alt geworden sind und sich die vorhandene Lebensqualität bei der jungen Generation (noch) nicht rumgesprochen hat. „Dabei ist es doch hier mit Kindern besonders schön“, wirbt Stadt-Politiker Kasek. „Es gibt keinen Grund, über dieses Leipzig die Nase zu rümpfen.“
Thomas Mayer

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 25.08.2012