„Schweigen hinter weißen Masken“

Theatrium-Premiere: „Los!“
Kritik der Leipziger Volkszeitung vom 14.05.2012:

Nichts ist gut bei Familie Vogt: Die Mutter ist abgehauen, der Vater betrunken. Im Streit rammt ihm der Sohn ein Messer in den Bauch. Der Vater sinkt zu Boden, und der junge Mann weiß nicht mehr weiter. Er schweigt, rührt sich kaum noch, die Miene reglos. Er hat keine Freude mehr, weder am Musikhören noch am Geplauder um ihn herum. Die Annäherungsversuche eines Mädchens beantwortet er nicht. Dann findet der Schweigsame eine Gruppe von weiß maskierten Menschen, und in ihr eine neue Heimat: Hier schweigen alle. Das Verstummen nach einer Gewalttat und das Abschotten von der Gesellschaft bilden den Ausgangspunkt von “ LOS!“, dem neuen Stück des Theatriums Grünau. Freitag war Premiere.
Die Theaterpädagogin Almut Koch hat das Drama für Zuschauer ab 13 Jahren geschrieben und mit zwölf Jugendlichen einstudiert. Auf ein Übermaß an Schwermut verzichtet sie. Viele Ideen und einige Gags blühen in den kurzen Szenen des anderthalbstündigen Abends, es wird geschmachtet und geschimpft, musiziert und getanzt. Fast wie bei einer Revue. Die eigentliche Geschichte gerät bisweilen aus dem Blick.
Andererseits gelingt es Almut Koch auf diese Weise, die Stärken des talentierten Ensembles zu entfalten. Um den jungen Mann (Felix Guevara) in der Gruppe der maskierten Schweigenden zu finden, engagiert die Polizei einen Professor, der sich auskennt mit nonverbaler Kommunikation. Paul Richard Hämmerling spielt den Professor als hochmütigen Kauz, der regelmäßig seinen Assistenten energisch herunterputzt – dafür gibt’s Szenenapplaus.
Als Gegenpart des Biedermanns skatet Fortuna (Charlotte Kremberg) durch den Abend, ein aufreizendes Schicksalsteufelchen in Rot und Schwarz. Am Ende steht es in ihrer Macht dafür zu sorgen, dass nichts bleibt, wie es war. Auch nicht in der Gruppe der schweigenden Maskenträger.
Dabei hatte man sich gerade an dieses sanftmütige Kollektiv gewöhnt, das die Außenstehenden mit Argwohn betrachten. Reden darf nur der unmaskierte Anführer (Ferdinand Probst, auch Cello). In seinem weiten blauen Gewand sitzt er im Schneidersitz vor einem roten Tor, wie sie vor japanischen Schreinen stehen. Allerdings macht der mysteriöse Mann so lange Pausen zwischen den einzelnen Worten, dass dem Herrn Professor mal wieder der Kragen platzt.
Rafael Barth

Nächste Vorstellung von „…LOS!“ am Freitag, 18.05.2012, um 20 Uhr, im Theatrium.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 14.05.2012