„Quartiersbus Grünolino: Gelungene Generalprobe für Modellprojekt“

Der neue Quartiersbus Grünolino hat seine Generalprobe am Freitag mit Bravour bestanden. Der Taufe und dem regulären Start der neuen LVB-Linie 66 stehen am Samstag nichts mehr im Wege. Die LVB betreten gleich zwei Mal Neuland: Mit dem Modellprojekt erschließen sie Wohngebiete, und die Finanzierung erfolgt über Sponsoren und reguläre Tickets.

Die Generalprobe des Grünolino bei einer Pressefahrt war ein voller Erfolg. So ein Erfolg hat bekanntlich viele Väter und eine ?gute Seele?. Sie waren am Freitag in Grünau alle zusammengekommen.

Zu präsentieren gab es den Midibus, der ab Samstag, 19. März 2011, seine einstündigen Rundtouren durch Grünau ziehen wird. Start und Ziel ist jeweils zur vollen Stunde am Allee-Center/ Offenburger Straße: montags bis freitags zwischen 8 und 19 Uhr, samstags erst ab 9 Uhr. Auf seiner 15 Kilometer langen Runde wird die neue LVB-Linie 66 insgesamt 30 Haltestellen bedienen. Die Hälfte der Haltestellen bestehen schon länger, somit ist der Grünolino bestens an das bestehende Straßenbahn- und Busnetz sowie an die in Bälde (zeitweilig) stillzulegende S-Bahn Linie 1 angebunden. Die neuen Zustiegsmöglichkeiten bestehen an Einkaufsstätten sowie Gesundheits- und Kultureinrichtungen. Natürlich am Alleecenter, aber beispielsweise auch am Kaufland Kiewer Straße, am Gesundheitszentrum Selliner Straße sowie am Ratzelbogen mit städtischen Behörden und einer Außenstelle des Jobcenters.

Genau das ist der Clou am Grünolino: Er erschließt Grünau für die Grünauer. Wege, die über Jahrzehnte zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt wurden, können nun bequem mit dem Bus bestritten werden. Grünau ist schließlich in die Jahre gekommen: Dominierten in den Aufbaujahren beim Erstbezug junge Familien mit Kindern, nimmt nun die Anzahl der älteren Menschen zu. Auf diesen demografischen Wandel wollen die LVB mit dem Grünolino reagieren.

Doch zurück zu den vielen Vätern des Busses. Da wären zuallererst Walther Preidel und Martin Mahlzahn vom Club der Nachdenklichen zu nennen. Schon vor gut einem Jahrzehnt war ihnen die Idee gekommen, die Lücke im Nahverkehrsangebot in Grünau durch eine Quartierslinie zu schließen. Der Streckenverlauf, den die LVB mit dem 66er nun bedienen werden, entspricht nahezu vollständig dem, den die beiden agilen Senioren nach vielen Ortsterminen und Befragungen ausgetüftelt hatten. Der Start des Grünolino zeige, so Martin Malzahn vor der Probe der Jungfernfahrt, ?dass, wenn man gute Partner hat, auch schwierige Projekte gelingen können?.

Gut zwei Jahre brauchten die LVB für den Projektvorlauf. Womit wir bei einem weiteren Vater des Projekts wären: Ekkehard Westphal, bei den LVB als Verkehrsplaner tätig. Linien- und Netzplanung ist sein Metier. Zudem hat er gemeinsam mit Kollegen am Mittagstisch den Namen ?Grünolino? ausgeheckt. So eine Kantine ist eben doch ein kreativer Ort.

Natürlich braucht so ein Projekt eine ?Seele?. Zu dieser adelte der neue LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg Antje Kowski vom Quartiersmanagement Grünau. ?Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen?, sagte die so Gepriesene, nachdem der Bus seine erste Rundtour absolviert hatte. Zudem sieht es die Stadtteilmanagerin als gutes Vorzeichen für den Grünolino an, dass die Nachfrage nach den Fahrplänen weit höher ist als erwartet.

Allein auf Nachfrageerwartungen kann sich ein Nahverkehrsunternehmen beim Betrieb einer Buslinie nicht verlassen. Zumal dann nicht, wenn die Linie nicht im Nahverkehrsplan der Stadt enthalten ist. Denn dann gibt es auch kein Geld nach Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag, in dem geregelt ist, mit wie vielen Euro aus den Gewinnen der Stadtwerke der Nahverkehr bezuschusst wird.

Deshalb zählen zu den Vätern (und Müttern) des Grünolino auch neun Grünauer Unternehmen, die für die nächsten beiden Jahre die Hälfte der Kosten des Busprojektes gemeinsam stemmen werden. Die andere Hälfte sollen die Fahrgäste mit ihren Tickets beisteuern.

Zu den Grünolino-Müttern zählt somit auch Tetiana Zarichna, Center-Managerin des Allee Centers, das nach ihren Worten das ?Herz von Grünau? ist. Das Center sei täglich Treffpunkt vieler Menschen. Beim Allee Center verstehe man die Mitfinanzierung des Quartiersbusses nicht nur als Pflicht. ?Wir sind gern dabei?, sagt Tetiana Zarichna, ?um für unsere Gäste diese Bequemlichkeit zu schaffen.“

Für Thomas Neitemeier vom Gesundheitszentrum Selliner Straße steht im Vordergrund, dass durch den Grünolino die Erreichbarkeit seines medizinischen Komplettversorgers deutlich verbessert wird. Durchschnittlich 1.000 Besucher suchten pro Tag das Zentrum auf und bei 20 Ärzten und anderen medizinischen und therapeutischen Anbietern Rat und Hilfe. Die nächstgelegene LVB-Haltestelle befindet sich bis dato in der Straße am See.

Beim Gutburg Mieterservice: als dem größten Einzelunternehmen am Standort Grünau sieht man es als Pflicht, als Sponsor mitzumachen. ?Die Entscheidung ging ziemlich schnell?, erzählt Mario Spengler. Der Grünolino decke genau die Lücke ab, die es beim Nahverkehr in Grünau noch gebe. ?Wir wollen, dass das Projekt Erfolg hat, wir werden den Bus mit unseren Möglichkeiten bewerben?, sagt Mario Spengler.

Neben dem ECE Projektmanagement des Allee-Center, der Bären Apotheke Selliner Straße und dem Gutburg Mieterservice sind als weitere Sponsoren zu nennen: die Sparkasse Leipzig, die Wohnungsgenossenschaften Kontakt, Transport (Wogetra) und Unitas, die Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW) und die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB).

Den Erfolg des Modellprojekts wollen auch die LVB. Mit dem Quartiersbus will das Unternehmen ?nah an die Menschen heran?, wie Geschäftsführer Ulf Middelberg sagt. Die LVB hätten ein klares Interesse, dass sich Grünolino aktiv vermarktet. Man wolle Nachhaltigkeit in diese innovative Idee hineintragen.

Schließlich seien die Mittel im Nahverkehr begrenzt, erinnert Ulf Middelberg an die allgemeinen Rahmenbedingungen. Da brauche es aus Sicht des LVB-Vormanns Engagement, auch in Finanzierungsfragen. Mit der Finanzierung über Sponsoren ergeben sich für die LVB Möglichkeiten, ?die wir in Leipzig noch nicht kennen?, so Middelburg weiter. Nach einem Jahr werde man ein Zwischenfazit und sehen, ob die Richtung stimmt. ?Wenn wir mit der Linie Geld verdienen, werden wir sie nicht einstellen?, sagt Middelburg, der in der LVB-Spitze für Marketing/Vertrieb/Finanzen zuständig ist.

Das Modellprojekt Grünolino dürfte ab Mai zum Lückenbüßer werden. Eine Verdichtung der neuen Buslinie, mehr Wagen auf der Buslinie 80, die zwischen Neulindenau und Leutzsch parallel zur S-Bahn fährt, sowie zusätzliche Züge auf der Straßenbahnlinie 15 sollen kompensieren, was an durch die Stilllegung der S1 verloren geht.

Das ruft auch die lokale Politik auf den Plan. ?Die Einrichtung des Quartiersbusses in Grünau ist vorbildlich?, lobt Leipzigs Grünen-Chef Jürgen Kasek, ?In einzigartiger Art und Weise haben hier Bürger und Quartiersmanagement die Notwendigkeit zum Handeln erkannt und auf die Erfordernisse der Neuzeit reagiert?, so der Stadtbezirksbeirat von Grünau weiter. Doch dürfe dieser Erfolg nicht den Blick für die notwendige Debatte über einen Ersatz für die S-Bahn-Linie S1 verstellen, lautet die grüne Forderung.

?Die Quartiersbuslinie in Grünau ist vornehmlich dem Engagement Grünauer Bürger und Sponsoren, wie genossenschaftlichen und privaten Wohnungsunternehmen, der LWB sowie Handel- und Gewerbetreibenden zu verdanken?, lobt auch Linken-Stadtrat Siegfried Schlegel. Solche Quartiersbuslinien könnten nach Ansicht des Planungsexperten ?vor dem Hintergrund sozialdemografischer Veränderungen in der Verknüpfung mit dem S-Bahn- und Stadtbahnliniennetz integraler Bestandteil der Nahverkehrsnetzes? werden. Auch Siegfried Schlegel stellt klar: ?Eine Quartiersbuslinie kann niemals, auch nicht zeitweilig, das Rückrat des Grünauer Verkehrssystems, die S-Bahnlinie 1, ersetzen.“

Gernot Borriss