Das Theatrium in Grünau hat am Freitag und Samstag sein 20-jähriges Bestehen gefeiert. Wie wichtig das Team mit seiner engagierten Theater- und sozialpäda-gogischen Arbeit für ungezählte Kinder und Jugend-liche war und ist, spiegelte sich bei der furiosen Gala – die vor allem Dankeschön und Liebesbekenntnis war.
Chefin mit großem Herz und losem Mundwerk: Beate Roch (Bildmitte), seit Samstag „Thea“-Trägerin für ihr Lebenswerk.
Auf der Seite „Thea Trium“ im Zuckerbergschen Netzwerk wächst die Zahl der Glückwünsche, Bekenntnisse und Dank-sagungen. Immer wieder fällt das Wort „Zuhause“, wenn es um das Spielen, Arbeiten und Er-Leben im Theatrium geht. Mag das Sprichwort, man ernte, was man gesät habe, noch so alt sein, die Online-Elogen und vor allem die furiosen Gala-Vorstellungen zur 20-jährigen Existenz des Hauses am Wochenende bilden ein umwerfendes kollektives Liebesbekenntnis.
Was 1996 in einem maroden Flachbau begann, durch dessen Dach der Regen sickerte, steht 2016 nicht nur äußerlich im schickem Neubau um Welten besser da, sondern ideell als Paradebeispiel für die Verbindung von Theater und sozialpädagogische Arbeit in einem Brennpunkt-Viertel Leipzigs. Seit zwei Jahrzehnten finden hier junge Leute, die mit sich und ihrem Umfeld schwere Kämpfe führen, einen Haltepunkt, Geborgenheit, Zuneigung und Verständnis.
Die Wertschätzung dafür drückt sich in den Shows am Freitag und Samstag aus, die nur so sprühen und funkeln vor Erfindungsgeist, Humor und Witz, in Topform gebracht von der Theatergruppe Il Comico, deren Urerfahrung – natürlich – im Theatrium wurzelt. Katja Fischer als genervte Glamourgrazie und im Gegenpart Anne Rab als unbedarfte Praktikantin moderieren das Programm nach Filmpreisverleihungsschema. Die von der Band gefühlt 200mal gesungene Zeile „Das ist ein Jingle zur Überleitung“ dürfte allen Zeugen bis zum nächsten Jubiläum in den Ohren dudeln.
Unter den Augen von früheren, treuen und jungen Wegbegleitern sowie Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke laufen teils schräg ironisierende Interview-Videos unter anderem mit führendem Rathaus-Personal, Politikern oder dem früheren künstlerischen Leiter Didi Voigt. Ein hymnisch schöner Theatrium-Song wird beklatscht, Inszenierungsschnipsel aufgereiht, Reden werden vom Pult gehalten – und die edle Plexiglas-Trophäe „Thea“ vergeben an so viele, ohne die das Theatrium undenkbar wäre. An die unermüdliche Kathrin Großmann, die seit 1997 satte 23 Projekte geleitet hat, an die Techniker, Ehrenamtliche, Ermöglicher. Tilo Esche, Beteiligter der ersten Stunde, durchbricht nach seiner Auszeichnung das Protokoll und zollt dem Theatrium berührend seinen Respekt.
Erst für den Samstag hatte sich das Feier-Team eine besonders emotionale Ehrung aufgespart: Mitgründerin Beate Roch, Geschäftsführerin und noch viel mehr mit Seele und Schnauze, wird „Thea“-Trägerin für ihr Lebenswerk. Der ganze Saal steht nach der Laudatio von Karina Esche auf, johlt, applaudiert, pfeift, einige Tränen fließen. Auch wenn es nun eine lesenswerte 20-Jahre-Chronik zum Jubiläum gibt – was diese Frau mit Rückgrat und Hartnäckigkeit angeschoben und stabilisiert hat, gehört in eine dicke Extra-Veröffentlichung samt amüsanter Running Gags, die sich auch durch die Gala ziehen. Die Diskussionen ums Kaffeekochen zum Beispiel oder mehrere in die Kloschüssel gepurzelte Mobiltelefone.
Annette Weber, von 2000 bis 2002 künstlerische Theatrium-Leiterin und aus München zur Feier angereist, ist fasziniert. „Unglaublich, wie sich das Haus weiterentwickelt hat – und dass mir die Kinder von damals heute als Erwachsene gegenüber stehen und dem Theatrium verbunden geblieben sind.“
Einen „Ort des Vertrauens“ nennt eine Beteiligte auf Facebook die Traumfabrik an der Salzstraße 59. „Ein Ort, an dem man leben, lieben, lachen kann.“ Ausheulen auch, und nicht immer aus Rührung. Ziemlich einzigartig, dieses Theatrium.
Mark Daniel
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 29.08.2016