„Intercity Grünau-Grünau“

Verein lädt bis Sonntag zur Modelleisenbahn-Ausstellung ins Klubhaus „Völkerfreundschaft“ – Bericht der Leipziger Volkszeitung vom 23.02.2012:

Das könnte brenzlig werden für den jungen Mann, der in der Unterführung neben dem Museum am helllichten Tag ein Graffiti an die Wand sprüht – stehen doch um die Ecke zwei Polizisten, von denen einer schon den Gummiknüppel in der Hand hält. Zum Glück lenkt just in diesem Moment das laute Pfeifen einer Dampflok die Beamten ab Dies ist nur eine von vielen kleinen Geschichten, die es seit gestern beim Grünauer Modellbahnwinter am Rande der Gleise zu entdecken gibt. Zum elften Mal lädt der Modelleisenbahnclub Leipzig-West zu der Ausstellung ein, bei der bis Sonntag rund 1000 Besucher erwartet werden.
Neben den liebevoll gestalteten Szenerien und Landschaften sind es natürlich die zahlreichen Dampflokomotiven, Feldbahnen, Schmalspurbahnen, Schnell- und Güterzüge, die in den letzten Winterferientagen vor allem junges Publikum in den Freizeittreff „Völkerfreundschaft“ ziehen. Darunter die meistgebaute sächsische Schmalspurlokomotive IV K und ein moderner Schnellzug, dessen Fahrstrecke ganze 25 Meter misst und damit quasi die ICE-Linie Grünau-Grünau ins Leben ruft. An dieser regelt Vereinsmitglied Veit Bruchmann noch persönlich die einkommenden und ausfahrenden Züge, setzt Weichen und Signale mittels manueller Steuerung. Handarbeit ist auch bei Tino Moldenhauer angesagt, der einen Schritt weiter am Tisch sitzt und mit Tuschekasten und Pinsel Miniatur-Menschen für die Anlagen-Kulisse bemalt. „Modelleisenbahnen sind mein Hobby seit ich acht Jahre alt bin“, erklärt der 37-Jährige. Insgesamt hat er schon 600 Figuren einen Anstrich verpasst. „Das macht einfach mehr Spaß, als fertige Sets zu kaufen, und ist auch wesentlich günstiger.“
Das Interesse an der Schau ist groß, am Eröffnungstag tummeln sich viele Kinder aber auch interessierte Erwachsene um ein gutes Dutzend Exponate. Echte Hingucker sind die DDR-Fernseher Marke Tesla oder Rafena, in die – als Standbild für die Ewigkeit – komplette Landstriche gebaut wurden. „Modelleisenbahnen sind ein zeitaufwändiges Hobby“, gibt Lothar Göhring zu, ebenfalls Mitglied im Verein. Seit 52 Jahren geht der Rentner diesem schon nach, sein Hauptinteresse gilt dabei den als Gartenbahn bezeichneten etwas größeren Zügen und Loks. „An denen kann man einfach mehr Details darstellen und somit filigraner arbeiten. Und man hat mehr Platz zum Bauen“, stellt der 58-Jährige fest. Wie viel Geld er schon für seine Leidenschaft ausgegeben hat? „Einen guten Mittelklassewagen, etwa 30000 Euro.“ Die Anlage solle schließlich leben, da gehöre viel Material und Arbeit dazu.
Ein Aufwand, für den dem Nachwuchs wohl die Ausdauer fehle, merkt Göhring an. „Die Kinder kommen, gucken und interessieren sich. Aber wenn es um neue, junge Mitglieder für den Verein geht, haben wir ein Problem.“ Von ehemals 70 Mitgliedern in den Hochzeiten des Modelleisenbahnclubs sind viele zudem durch berufsbedingten Wegzug austreten – derzeit engagieren sich hier noch 15 Personen. Vergleichsweise groß ist die Anzahl der vereinseigenen Anlagen: acht Stück, von denen drei Teil in der Ausstellung sind. Daneben präsentieren Gäste aus Schkeuditz, Mügeln oder Oschatz ihre Mini-Welten. Vielleicht können sie den einen oder anderen ja doch noch für diese Freizeitgestaltung begeistern.
Tobias Ossyra


Wo?
Offener Freizeittreff „Völkerfreundschaft“, Stuttgarter Allee 9
geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 16 Uhr
Eintritt 2,50 Euro, Kinder 1 Euro, für Ferienpass-Inhaber kostenlos


Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.02.2012