„Grünolino geht ab heute auf Tour“

Heute wird es ernst: Mit ihrem Grünolino testen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) eine neues Angebot, das eine Antwort auf die zunehmenden demografischen Probleme in Leipzig sein könnte. Der Stadtteilbus soll vor allem älteren Menschen die täglichen Wege erleichtern. Zu 50 Prozent wird er von privaten Sponsoren finanziert.

Obwohl der Grünolino erst heute um 9 Uhr an den Start rollt, stand bereits gestern fest, dass seine Touren schon in wenigen Wochen verdoppelt werden. „Wenn der Zweckverband Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) wie derzeit geplant am 30. April die S-Bahn-Linie 1 vorübergehend einstellt, wird der Grünolino deutlich häufiger fahren“, sagte LVB-Angebotsplaner Ekkehard Westphal. Der Quartiersbus, der 15 Sitzplätze und eine Stellfläche für Rollstuhl sowie Kinderwagen bietet, werde dann nicht nur stündlich am Allee-Center abfahren, sondern jede halbe Stunde. Weil sich der Stadtteilbus vor allem an ältere Grünauer richtet, wird er aber nicht rund um die Uhr verkehren. „Von Montag bis Freitag beginnen die Touren um 8 Uhr – die letzte Fahrt startet um 18 Uhr“, so Westphal. Sonnabends wird er eine Stunde später – also um 9 Uhr – aufbrechen, aber ebenfalls bis 18 Uhr unterwegs sein. Sonntags fährt er nicht.
Eingesetzt wird der Grünolino vor allem deshalb, weil sich in Grünau bislang die meisten Nahverkehrsangebote auf die großen Einfallstraßen Lützner sowie Ratzelstraße konzentrieren – und das große Gebiet zwischen ihnen relativ schwach erschlossen ist. Deshalb hat die rapide alternde Bewohnerschaft Grünaus zunehmend Schwierigkeiten, die Kultur- und Dienstleistungseinrichtungen des Stadtteils zu erreichen. Der Einsatz eines Quartiersbusses wurde bereits vor zwei Jahren vom Grünauer Club der Nachdenklichen thematisiert und von den LVB, der Stadtverwaltung sowie der örtlichen Quartiersmanagerin Antje Kowski gefördert. Dabei wurde entdeckt, dass auch Unternehmen Interesse an diesem Angebot haben und bereit sind, es finanziell zu unterstützen. Neun von ihnen brachten 120.000 Euro auf und machten damit einen zweijährigen Testbetrieb möglich. So der Gutburg Mieterservice, das Allee-Center, die Sparkasse, das Gesundheitszentrum Grünau/Bären-Apotheke, die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft sowie die Wohnungsgenossenschaften Kontakt, Vereinigte Leipziger, Unitas und Wogetra.
Der neue kaufmännische LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg nannte das Angebot gestern eine innovative Idee und betonte, dass auch sein Unternehmen ins Risiko gehe. Die Verkehrsbetriebe würden die Hälfte der Kosten des stündlichen Angebots tragen, was allerdings den erwarteten Fahrscheineinnahmen des Grünolino entspricht. Middelberg räumte ein, dass die Organisation des Nahverkehrs eigentlich Aufgabe der Stadt ist und nicht von privaten Firmen. „Aber die Mittel für den Nahverkehr sind in Leipzig begrenzt, deshalb brauchen wir auch das Engagement von Unternehmen“, so der Geschäftsführer.
Die Sponsoren fühlten sich gestern nicht als Lückenbüßer. „Für unser Unternehmen ist entscheidend, dass wir weiter für ältere Menschen gut erreichbar bleiben“, sagte Tetyana Zarichna, Chefin des Allee-Centers. „Wir haben auch Ärzte in unserem Haus, für die sind solche Angebote ebenfalls wichtig.“ Außerdem würden Engagements wie dieses zeigen, dass ihr Center ein Herz für Grünau habe.
Grünolino wird heute um 8.30 Uhr am Allee-Center getauft. Anschließend können alle Fahrgäste das neue Angebot einen Tag lang kostenlos testen. Der Stadtteilbus firmiert auch als Linie 66 und steuert auf einer 15 Kilometer langen Strecke insgesamt 30 Haltestellen an. Am Start- und Zielpunkt Allee-Center wurde eine neue Haltestelle in der Offenburger Straße in unmittelbarer Nähe zum Nordzugang des Centers errichtet. Hauptziele sind außerdem das Kaufland Kiewer Straße, das Jupiterzentrum, das Gesundheitszentrum Selliner Straße, der Ratzelbogen, die Grünauer Welle und die Robert-Koch-Klinik (siehe Skizze unter „Weitere Informationen“).
Andreas Tappert