Grünau bekommt Terrassenhäuser

Plattenbauten werden verkleinert
Wohnungsgenossenschaft Kontakt investiert 4 Mill. Euro
– LVZ-Artikel vom 04.01.2008:

Etwas Ähnliches gab es zwar schon in Magdeburg und Gera, aber noch nie in Leipzig. Ab März will die Wohnungsgenossenschaft Kontakt in Grünau zwei Plattenbauten so verändern, dass daraus Terrassenhäuser entstehen. ?Wir nehmen das sechste und fünfte Geschoss herunter, an mehreren Stellen auch den vierten Stock?, erklärt Vorstand Rainer Löhnert. ?Dadurch entstehen Terrassen für die dortigen Mieter.? Der Clou: Während des Umbaus bleiben die unteren Etagen bewohnt.
Konkret geht es um die Uranusstraße 35-39 sowie 41-47 im Wohnkomplex (WK) 7. Durch die Verkleinerung dieser Häuser verschwinden 40 Quartiere. Die Kontakt, Leipzigs größte Genossenschaft mit 15 000 Wohnungen, habe bisher keinen einzigen Plattenbau abgerissen, betont Löhnert. ?Auch in der Uranusstraße geht es uns nicht um den Rückbau, sondern um eine Aufwertung des Viertels. Wir hoffen, keine Fehler zu machen. Dann könnte das Vorhaben beispielhaft für andere Vermieter sein, denen die Kontakt ihre Technologie zur Verfügung stellen würde.?
Dazu gehört vor allem das Herunternehmen der oberen Geschosse: Es soll ganz ohne Abrissbagger geschehen. Vielmehr werden die Platten genau so demontiert und per Kran abtransportiert wie sie einst zusammengesetzt wurden ? nur eben umgekehrt. Dadurch gebe es kaum Schutt, sagt Löhnert. ?Das ermöglicht den Verbleib der anderen Mieter auch während der heißen Bauphase, die etwa im Mai beginnen wird. Dennoch müssen die Betroffenen einige Belastungen aushalten.?
Diese hängen mit der gleichzeitig ablaufenden Sanierung der beiden Häuser zusammen. So werden 68 Balkone angebaut, zusätzliche Türen an den Seiten und Treppenaufgänge geschaffen. Das Dach entsteht komplett neu, die Fassade wird renoviert. Die Entwürfe dazu lieferten drei hauseigene Architekten. Die meisten Arbeiten und den Einbau einer Holzpellets-Heizanlage, die die Häuser unabhängig von der Fernwärme macht und Betriebskosten sparen soll, führt die Kontakt selbst aus.
Die Idee zu dem Vorhaben wurde eigentlich aus der Not geboren. Weil die sechsgeschossigen Plattenbauten keine Fahrstühle haben, ist der Leerstand in den obersten Stockwerken recht hoch. Deshalb will die Kontakt gleich nebenan, in der frisch sanierten Saturnstraße 15-19 sowie 21-25, Außenaufzüge andocken. Dies ebenfalls ab März. Die Wohnungen in der Saturnstraße haben die gleichen Grundrisse wie in der Uranusstraße, wo jetzt noch 19 Mietparteien in den Rückbau-Geschossen leben. ?Viele Grünauer haben privat in die Ausgestaltung ihrer Wohnung investiert, um sich dort richtig wohl zu fühlen. Durch die Aufzüge können wir ihnen nun eine genau gleiche Wohnung anbieten, in die vom Schrank über die Gardine bis zum Teppich alles hineinpasst?, erläutert der Vorstand. 2008 investiere die Genossenschaft vier Millionen Euro in das Viertel. Sie wolle noch einen benachbarten Parkplatz kaufen und den Nutzern der dann 140 sanierten Quartiere zur Verfügung stellen. ?Im November soll alles fertig sein.? Jens Rometsch

Standpunkt:
von Jens Rometsch

Nachahmenswert

Ob Lößnig, Paunsdorf oder Mockau ? was 2008 in Grünau passiert, könnte Nachahmer in vielen Leipziger Plattenbaugebieten finden. In der Uranusstraße werden jetzt zwei Blöcke so verkleinert, dass Wohnungen verschwinden und Dachterrassen entstehen. Dies hilft beim Abbau von Leerständen und bringt mehr Komfort für die Mieter. Es kann das Stadtbild verschönern, weil die Monotonie gleicher Wohnblöcke durchbrochen wird. Und es entspricht den vielen Forderungen nach einem nachhaltigen Bauen, die Umweltschützer, Architekten und sogar die Bundesregierung erheben.
Warum kommt die Idee dann erst jetzt in Leipzig zum Zug? Die Antwort ist simpel: Weil es in Sachsen in den letzten sieben Jahren Fördermittel fast nur für Komplett-Abrisse gab. Daran scheiterte schon 2004 der Plan der Genossenschaft Wogetra, einen Grünauer Elfgeschosser zum Terrassenhaus umzubauen. Nun endlich mehren sich die Anzeichen, dass der Freistaat seine Förderpolitik ändern, künftig auch Aufwertungen unterstützen will. Der neue Anlauf der Genossenschaft Kontakt dürfte dann zum Renner werden.
j.rometsch@lvz.de

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 04.01.2008