„Ein schwarzer Tag für die Demokratie“

Sonderstadtrat Markranstädt: Bürgerbegehren zur Bebauung des Westufers des Kulkwitzer Sees unzulässig / Betroffene wollen vor Verwaltungs-gericht klagen – LVZ vom 20./21.08.2011:

Das Bürgerbegehren gegen den Bebauungsplan Westufer Kulkwitzer See ist unzulässig. Zu dem Ergebnis ist der Markranstädter Stadtrat in seiner Sondersitzung am Donnerstagabend gekommen. Für die Bürgerinitiative (BI) „Pro Kulki – kontra Bebauungs-wahn“ war das keine Überraschung. Deren Vertreter wollen nun Klage beim Verwaltungsgericht einreichen.
Bevor diskutiert wurde, gab es erst einmal eine Schweigeminute für den in der vergangenen Woche verstorbenen Mann. Wie die LVZ berichtete, war er während der Ratssitzung zusammengebrochen. Der Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Bürgermeisterin Carina Radon (CDU) hatte die Sitzung daraufhin vertagt.
Zur Entscheidung stand nun erneut der Antrag des Bürgerbegehrens: „Befürworten Sie eine weitere Erhaltung und Entwicklung der Freiflächen und der Waldflächen am Westufer des Kulkwitzer Sees als öffentliche Grünfläche und als ein grundsätzlich von Bebauung freizuhaltendes naturnahes Naherholungsgebiet?“
Das von der CDU-Fraktion gleich zu Beginn der Sitzung vorgeschlagene Mediationsverfahren lehnten die BI und andere Bürger ab. „Das kommt für uns anderthalb Jahre zu spät“, warf Karin Topp, eine der drei Vertreter des Bürgerbegehrens und Mitglied der BI, Volker Kirschner vor, der im Namen der CDU-Fraktion dieses Angebot unterbreitet hatte. Kirschner und seinen Fraktionskollegen schwebt ein Verfahren vor, bei dem Stadträte, die Verwaltung und die Bürger als gleichberechtigte Partner in einem Gremium zusammenkommen und von einem unabhängigen Mediator unterstützt werden.
Kirschner ließ keinerlei Zweifel daran, dass die Christdemokraten das Bürgerbegehren ablehnen werden. „Wir haben die Verwaltung beauftragt, das Begehren zu prüfen, und die kam eben zu der Auffassung, dass es unzulässig ist“, begründete er. Vor allem der wichtigste Punkt – der Kostendeckungsvorschlag – sei nicht berücksichtigt worden.
„Das Begehren muss einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten“, steht in der Beschlussvorlage, über die der Stadtrat entschieden hat. Im Begehren heißt es dazu: „Kosten in Folge des Bürgerbegehrens entstehen nicht.“ Das sahen die Stadtverwaltung und die CDU-Fraktion allerdings anders.
„Wenn Flächen, wie im Begehren gefordert, entwickelt werden sollen, müssen wir Maßnahmen ergreifen, die Kosten verursachen“, erklärte Radon. Für Heike Kunzemann (Die Linke) war das „eine echte Verdrehung der Tatsachen“. Nach ihrer Ansicht wollen die Bürger, dass sich die Natur am Westufer allein entwickeln kann und von jeglicher Bebauung frei gehalten wird. „Die Bürgerinitiative kann also zu gar keiner anderen Schlussfolgerung kommen, als dass die Kosten entfallen“, betonte sie. Genau das hatten auch schon die von der BI beauftragten Rechtsanwälte in ihrer Stellungnahme zum Bürgerbegehren festgestellt. Darin heißt es, dass es „erkennbar darauf gerichtet ist, den Bestand (der Natur, Anmerkung) beziehungsweise dessen autonomes Entwicklungspotenzial in Richtung naturnahen Bestands zu erhalten. Dass dies nicht mit weiteren Kosten verbunden ist, ist selbsterklärend und liegt auf der Hand“.
Kunzemann und Winfried Busch, Ortsvorsitzender der SPD Markranstädt, warfen sowohl der Verwaltung als auch der CDU vor, die vorliegende Stellungnahme der Anwälte nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Selbst Gerd Plato, SPD-Rats-Neuling, lehnte das Bürgerbegehren ab. „Die BI hat sich zu spät rechtlichen Beistand gesucht. Zudem sagt der eine Anwalt das, der andere was anderes“, begründete er seine Entscheidung schon vor der Abstimmung. Die war nach dem Antrag von Hans-Jürgen Berg (Die Linke) geheim. Er hatte das damit erklärt, dass dann jedes Ratsmitglied nur seinem „eigenen Gewissen gegenüber verpflichtet ist und nicht gegenüber der Fraktion“. Während die Räte ihr Kreuz machten, hielten zahlreiche Besucher Flugblätter mit der Aufforderung „Respektiert den Bürgerwillen“ hoch. Ohne Erfolg.
Das Ergebnis der Abstimmung ist für Berg „ein schwarzer Tag für die Demokratie“, wie er gestern schrieb. „Die Stadtverwaltung hatte Angst vor zu viel direkter Demokratie, die CDU-Fraktion folgte dem Gusto der Stadtverwaltung und stellte den am Westufer durch Grundstücksverkäufe zu erzielenden schnöden Mammon über alles, sogar über das Vermächtnis eines Bürgers, der vor einer Woche im Ratssaal verstorben ist.“
Für Berg und Kunzemann kommt auch der Vorschlag des Mediationsverfahrens viel zu spät. „Außerdem hätte das keine aufschiebende Wirkung, die Mühlen mahlen bereits“, warf Kunzemann der CDU vor. Julia Tonne

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 21./22.08.2011


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