„Die Schlampe und der Held“

Theatrium-Chefin Beate Roch über Sillys Einheits-Allegorie „Das Traumpaar des Jahrhunderts“
LVZ-Kultur-Artikel vom 01.10.2013:


Am Donnerstag wird die Einheit gefeiert. Wie bestellt passt da Beate Rochs Beitrag zu unserer Serie „Soundtrack fürs Leben“, in der wir Protagonisten der Leipziger Kultur-Szene nach ihrem ganz persönlichen, prägenden Song fragen. Die Geschäftsführerin des Theatriums hat sich das Silly-Stück „Das Traumpaar des Jahrhunderts“ ausgesucht.


Kürzlich erzählten mir zwei 16-jährige Mädchen, dass sie nicht verstünden, warum es immer noch diese Ost- und West-Unterschiede gibt. Warum immer noch darauf rumgetrampelt wird, vor allem bei Jugendlichen, die doch eigentlich alle gemeinsam im „Westen“ groß geworden sind. In Bamberg hätten sie erlebt, wie Gleichaltrige sofort mit den Ossi-Witzen angefangen haben, auch das Wort Ossischlampen sei gefallen. Vielleicht waren diejenigen noch nie hier im Osten, und ihre Eltern haben ihnen kein anderes Bild vermittelt oder vermitteln können, meinte ich. Und in diesem Zusammenhang dachte ich wieder mal an dieses Lied, an diesen Text von Silly, den ich auf meinen morgendlichen Fahrten zur Arbeit nach Grünau lautstark und trutzig mitgesungen habe: „Das Traumpaar des Jahrhunderts. Die Schlampe und der Held tanzen mit großer Geste auf dem Parkett der Welt Und wenn es ihr zu eng wird im sündhaft teuren Kleid, sagt er: sei still und schäm dich für deine Vergangenheit“.
Die Kraft und Stärke dieses Textes und dieser großen Frau Tamara Danz haben sich auf mich übertragen, immer auch in der Hoffnung, dass dieses Lied, diese fast verzweifelte Hoffnung übergreifen möge auf dieses Volk, das doch angeblich bis 1989 in einem Land der Bücher und Leser lebte, so schnell zu einem Volk der Bildzeitungsleser wurde, dass die Leute wieder zu einem Selbst-Bewusstsein finden mögen. „Die feuerroten Haare hat man ihr schwarz gemacht, ich hab den blassen Schimmer, die wachsen wieder nach.“
Dieser Text von 1993 (und nicht nur dieser von ihr) sowie die faszinierende, großartige, nicht zu ersetzende Tamara Danz mit ihrer Kraft helfen mir noch heute, meinen Grundoptimismus zu erhalten. Soundtrack fürs Leben? Ja! Für und beim. Manchmal leg ich die Scheibe wieder auf: „Die Suppe ist dünn und das Bett nicht sehr breit, der Hunger kommt beim Essen und die Liebe mit der Zeit.“
Liebe kommt mit der Zeit?

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 01.10.2013