„Die Platte ist wieder begehrt“


Wird Grünau Leipzigs neues Boom-Viertel?
Beitrag von LVZ online vom 20.02.2014:

Noch stehen mehr als 4.000 Wohnungen leer – aber glaubt man den Prognosen der Stadt, wird das nicht mehr lange so leiben. „Grünau wird in den nächsten Jahren einen Boom erleben“, ist sich Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) sicher. Die jahrelang anhaltende Abwanderung aus dem tiefen Westen Leipzigs sei gestoppt, verkündete sie am Donnerstag. Jetzt will die Stadt Millionen investieren, um das Plattenbau-Viertel attraktiver zu machen.

Leipzig wächst jedes Jahr um mehr als 10.000 Einwohner – davon werde in den nächsten Jahren auch Grünau profitieren, sagt Dubrau voraus. „Die DDR-Platte ist wieder im Bewusstsein der Menschen angekommen.“ Noch vor Jahren kämpfte das Viertel mit Einwohnerverlusten und massivem Leerstand. Einige der in den 1970er-Jahren errichteten Neubaublöcke mussten abgerissen werden. „Mittlerweile hat sich das Bild total geändert“, so die Dezernentin. Abrisse seien aktuell kein Thema mehr.

Grünauer Bevölkerung wächst wieder

In Gründerzeitvierteln wie der Südvorstadt, Schleußig, dem Musik- oder Waldstraßenviertel sind bezahlbare Wohnungen inzwischen nur noch schwer zu finden. „Das Einwohnerwachstum spüren wir deshalb inzwischen auch in Grünau“, sagt Stefan Geiss, Abteilungsleiter für Stadterneuerung West. 2013 ist die Bevölkerung in Lausen-Grünau (+293), Grünau-Ost (+58) und Grünau-Nord (+21) leicht gestiegen. „Auch in den anderen Grünauer Stadtteilen wird sich der Trend umkehren“, glaubt Dubrau, betont aber gleichzeitig: „Die Infrastruktur muss dafür erheblich verbessert werden.“

„Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept für Grünau“ nennt sich der Masterplan, den das Baudezernat jetzt entwickelt hat, um das Viertel auf den bevorstehenden Boom vorzubereiten. Millionen an Fördermitteln sollen dadurch in den nächsten Jahren in den Stadtteil fließen, Schwerpunkte sind Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Umwelt. Investiert werde vor allem in die Sanierung von Schulen und Kitas, so Dubrau. In der Schublade sind zudem Pläne für ein neues Bildungs- und Bürgerzentrum im Allee-Center, in dem alle drei Stadtteil-Bibliotheken vereint werden sollen.

Stadt will in Image-Wechsel investieren

Aber auch die Sanierung von Plattenbauten soll forciert werden. Noch steht etwa jede siebte Wohnung in Grünau leer – etwa 4.500 von insgesamt 30.000. Besonders in einigen Elfgeschossern im Wohnkomplex (WK) 4 ist der Leerstand laut Dubrau nach wie vor hoch. Für die Sanierung sind jedoch die Eigentümer zuständig – ein schwieriger Prozess, wie Dubrau aus ihrer Erfahrung als Berliner Ex-Baustadträtin im Plattenbauviertel Marzahn weiß. „Wir müssen natürlich auch in Imageförderung investieren“, betont die 58-Jährige. Denn außerhalb des Viertels sei der schlechte Ruf Grünaus noch immer in den Köpfen verankert. „Aber die Leute, die dort leben, sind hochzufrieden mit ihrem Stadtteil“, berichtet sie.

Seit der Wende sind bereits etwa 35 Millionen Euro allein an Städtebaufördermitteln nach Grünau geflossen. Wie viel Geld in den nächsten Jahren investiert werden soll, können die Stadtplaner noch nicht genau abschätzen. Dies hänge vor allem von den bewilligten Fördermitteln ab. Ende des Jahres soll das neue Konzept in den Stadtrat kommen und dann die „Entwicklungsstrategie Grünau 2020“ ablösen. Der 2007 beschlossene Plan war noch von einem Krisen-Szenario im Stadtteil ausgegangen. „Jetzt wollen wir dafür sorgen, dass Grünau wieder eine von Leipzigs Perlen wird“, so Dubrau.

Robert Nößler

Quelle: LVZ online vom 20.04.2014


Zahlen und Fakten zu Grünau:

Die Großwohnsiedlung Grünau im Leipziger Westen ist seit der Wende kontinuierlich geschrumpft – bis sich die Einwohnerzahlen vor drei Jahren wieder stabilisierten und bis heute leicht ansteigen. Aktuell sind nach Angaben der Verwaltung in den Ortsteilen Nord, Ost, Mitte, Siedlung und Lausen-Grünau 42.950 Personen mit Hauptwohnsitz registriert.

Von den gut 30.000 Wohnungen im gesamten Stadtbezirk stehen derzeit etwa 15 Prozent leer, also rund 4.500. Der Großteil des Leerstandes konzentriert sich auf den Wohnkomplex (WK) 4. Hausherrin ist die hiesige Wohnungsgenossenschaft Wogetra. Insgesamt prägen sieben WK die für Grünau typische Plattenbauweise mit den dazugehörigen Nummern 1 bis 8 – ohne die Nummer 6, die nie gebaut wurde.

Seit der Wende sind etwa 35 Millionen Euro aus der Städtebauförderung, die je zu einem Drittel von Bund, Freistaat Sachsen und Kommune getragen wird, in den Stadtteil geflossen.

Derzeit werden in Grünau die Programme „Die Soziale Stadt“ und „Stadtumbau Ost“ eingesetzt. In beiden Töpfen liegen zusammen etwa fünf Millionen Euro.

Allein für das nunmehr geplante Bildungs- und Bürgerzentrum, kalkuliert das städtische Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung mit Kosten von rund drei Millionen Euro.

19 Kindertagesstätten, acht Grundschulen, sechs Horte, vier Förderschulen, zwei Oberschulen sowie je eine freie Schule, ein Gymnasium und ein Montessori-Schulzentrum bestimmen das Grünauer Bildungsangebot.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 21.02.2014