Schlicht berührend: Das Theatrium nimmt das Kinderstück „Gebrochene Flügel“ wieder ins Programm auf –
Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 04./05.09.2010:
Das Regieteam ist nicht da. Die geladenen Darsteller für eine Kindershow sind sich selbst überlassen. Da stehen die dann, sieben Kids im Alter von 8 bis 13, verloren auf der Bühne. Beäugen sich, gefrieren in ihren Posen. Checken sich ab, blaffen sich an. Kollidieren mit-einander. Und warten auf das verdammte Regieteam.
Ein Stück in der Schwebehaltung. Sieben Kinder im Wartezustand. Das Theatrium in Grünau zeigt mit „Gebrochene Flügel“ eine Versuchsanordnung.
Denn die Kids für die Show entpuppen sich nach und nach allesamt als Scheidungskinder. Und sind als solche unwissend die Probanden für ein soziologisches Experiment, das sich eben als Kindershow tarnt. Die Kindershow, die nicht stattfindet.
Es mag sein, dass diese dramaturgische Konzeption in ihrer Pointe ein wenig zu viel des Guten ist. Die Kinder als Opfer einer Erwachsenenwelt, die von den Empfindungen der Kids nichts versteht beziehungsweise diese ignoriert. Und dann auch noch für die Empirie ausbeutet.
Wo die Inszenierung von Kathrin Großmann und Anne Rab doch aus zwei ganz einfachen Umständen heraus funktioniert: der emotionalen Substanz des Sujets wegen – und wie die Kinder auf der Bühne diese Substanz Spiel werden lassen.
Was mit einer Leichtigkeit geschieht, der man die Konzentration, die das erfordert, nicht mehr anmerkt. Dass die Kids dabei weniger austarierte Charaktere als vielmehr Typen (der Möchtegern-Coole, die Traumtänzerin, die Altkluge, der Aggressive und so weiter) sind, ist dabei von Vorteil. Weil diese Typen auch von den Masken erzählen, hinter denen Kinder sich verbergen. Wie nun diese Masken in „Gebrochene Flügel“ Risse bekommen und fallen, ist schlicht berührend.
Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen, zitiert das Faltblatt zur Inszenierung Johann Wolfgang von Goethe: Wurzeln und Flügel. Letztere brechen schnell, erstere reißen schnell heraus, wenn das Fundament, aus dem sie wachsen, brüchig wird. Was der Fall ist, wenn Eltern sich trennen. Was das für Kinder bedeutet, zeigt „Gebrochene Flügel“ eindringlich. Als bitter-süßes Spiel ohne Wehleidigkeit. Und einem tollen Darsteller-Ensemble.
Steffen Georgi
Quelle (Text + Foto): Leipziger Volkszeitung vom 04./05.09.2010
Nächste Vorstellungen: Sa., 02.10. und So., 03.10.2010 jeweils 16 Uhr
Nähere Infos unter www.theatrium-Leipzig.de