„Begegnungen am K4 in Grünau“

DAV lädt zum 2. Kletterbegegnungstag für unbegleitete Flüchtlingskinder und Jugendliche – LVZ 06.06.2016:

Mit Gurt, Seil und Geschick hoch hinaus: Willkommen am K4, dem Grünauer Kletterfelsen, hieß es am Sonnabend für Sami, Mohamed, Moheli, Shoaib und Co. Der Deutsche Alpenverein (DAV) Leipzig hatte zum 2. Kletterbegegnungstag für unbegleitete Flüchtlingskinder und Jugendliche geladen. Die 15- bis 17-Jährigen aus Afghanistan waren begeistert dabei.


Der Grünauer K4: Am Kletterfelsen üben die Jugendlichen den Abstieg und lernen sich dabei kennen.


„Jungs – schön, dass Ihr da seid“, sagt die junge Frau in Klettermontur. „Ich bin Marit Sammet, wir klettern heute mit Euch. Tolle Sache! Ist jemand von Euch schon mal geklettert?“ Kopfschütteln in der Runde. „Gut, dann mach ich Euch mit den Regeln bekannt. Die wichtigsten: Keiner klettert alleine los. Man klettert nur so hoch, wie man sich wohlfühlt“, unterstreicht die Schulsozialarbeiterin, die sich im DAV ehrenamtlich als Trainerin engagiert.

Die Jungs erfahren außerdem, dass Kommandos wie „Stopp“ oder „Ab“ den Helfern signalisieren, wenn man wieder sicheren Boden unter den Füßen haben möchte. „Ab“ und „Stopp“ wiederholen Sami und die anderen. „Prima!“, lobt Marit. Außerdem: „Abklettern statt abspringen!“ Denn schnell könne es sonst schmerzhaft werden. „Mehr als Autsch!“, warnt Marit. Nach den Sicherheitsregeln ist Warmmachen gesagt; Muskeln und Bänder werden gedehnt. Dann der langerwartete Aufstieg. „Wer möchte anfangen?“ Alle Arme schnellen auf einmal hoch. Gurte werden angepasst, dann ist es endlich soweit: „Go, go, go … – los geht’s.“

Die Jugendtrainer können über die Nachwuchs-Gipfelstürmer nur staunen: „Wie schnell die oben sind!“ Vielleicht liege deren Fitness ja am täglichen Fußballspielen. Eine der Lieblingssportarten; Klettern könnte bald dazu gehören. Diesen Sport hatten die Jungs genannt, als sich der DAV und der Flüchtlingsrat in Leipziger Unterkünften für unbegleitete Flüchtlingskinder und Jugendliche nach ihren Wünschen umhörten. „De“ Impuls kam von uns Jugendleitern“, ergänzt Karen Görner. „Wir wollten was Integratives machen“, beschreibt die EU-Referentin das Anliegen. Die Projektidee traf beim Jugendamt, das mit der Inobhutnahme betraut ist, auf offene Ohren. Unbürokratisch wurde der Kontakt zu einer Einrichtung am Grünauer Andromedaweg vermittelt.

Für Frank, den begleitenden Sozialpädagogen der Unterkunft, stehen vor allem die Begegnungen zwischen afghanischen und deutschen Kindern und Jugendlichen im Vordergrund. „Die Leipziger Schüler helfen, zeigen Griffe und Kletterzüge. Vieles geschieht noch ohne viel Worte. Denn unsere Jungs besuchen zwar DaZ-Klassen, können aber noch nicht so gut Deutsch.“

Heute können sie sich in vielen Bereichen ausprobieren. Klettern schult Kraft, Wahrnehmung und Kreativität – die neue Sprache wird nebenbei ebenfalls gelernt. „Ein schönes Miteinander – es ist viel Freude dabei!“, erklärt der Sozialpädagoge. Seine Schützlinge sind derweil schon dabei, die nächste Route zu erklimmen – 22 verschiedene Wege mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen gibt es an dem 22 Meter hohen „Mont Klamott“ insgesamt. Die Kletterwand wurde vor über einem Jahrzehnt aus 600 Platten eines abgerissenen Bauarbeiterhotels nahe der Stuttgarter Allee übereinander getürmt. Alte Platten knüpfen neue Verbindungen.

So spannend die Baugeschichte für die Jungs aus den afghanischen Dörfern auch sein mag – noch viel spannender ist die Antwort auf die Frage: „Wann klettern wir wieder?“

Ingrid Hildebrandt

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 06.06.2016