“ ‚Auszeit‘ bringt Generationen zusammen“


Theater-Kritik
Leipziger Volkszeitung v. 23.04.2012

Wenn alte und junge Menschen aufeinander treffen, haben sie sich oft wenig zu sagen. Zu verschieden sind ihre Ansprüche an das Leben. Die Jungen haben ihres noch vor sich, die Alten schwelgen lieber in Erinnerungen. Um genau diese Erinnerungen geht es am Freitagabend im Theatrium. Das neue Stück „Auszeit“ ist eine heiter wie auch nachdenklich stimmende Reise von der Inflationszeit bis in die DDR der 1970er Jahre, die dazu noch mehrere Generationen zusammenbringt.
„Es war ein harter Weg bisher,“ gesteht Beate Roch den Premierengästen. Warum, das sagt die Geschäftsführerin des Theatrium nicht. Aber man kann es sich denken. Eine Produktion mit 29 Schauspielern im Alter von zwölf bis 73 Jahren zu stemmen, ist sicher keine leichte Aufgabe. Doch das im Stehen applaudierende Publikum beweist, dass sich der Aufwand gelohnt hat.
Allein das Aufspüren zeittypischer Kostüme (Leitung: Oliver Viehweg) muss viel Mühe gekostet haben. Weit schwingende Kleider für die Swing tanzenden Mädchen, zweireihige Mäntel für die Kriegsheimkehrer, FDJ-Hemden und Schlaghosen für den Fahnenappell: Bis ins kleinste Detail durchdacht wirkt die Garderobe der Darsteller. Schon deshalb folgt man den Rückblenden in die Vergangenheit gern.
Ausgangspunkt der Handlung ist die Gegenwart. Opa Max (Hansi Noack hier mal nicht hinter dem Tresen des Noch Besser Leben) feiert Geburtstag und schart seine Lieben um sich. Die Alten stellen die üblichen indiskreten Fragen („Habt ihr eigentlich schon einen Freund?“) und wundern sich, dass alle außer ihnen noch wachsen („Mensch, bist du aber groß geworden!“). Die Jungen rollen genervt mit den Augen, als ihnen mehrfach versichert wird, dass früher alles anders war. In diesen Momenten springt die Handlung zurück in die Vergangenheit. Die Generation der Eltern, Großeltern und Ur-Großeltern durchlebt noch einmal die Jahrzehnte der Hyperinflation, der NS-Zeit, des Krieges, des Wiederaufbaus und der DDR. Allein dafür bietet das Theatrium 22 Darsteller auf; der Rest sitzt auf einer Art Empore um den Kaffeetisch.
Dass sich Geschichte durch die Geschichten von Individuen konstituiert, das macht „Auszeit“ deutlich. Und für die Jungen steht am Ende vielleicht diese Erkenntnis: Es lohnt sich, genauer nachzufragen, wenn die Alten mal wieder in Erinnerungen schwelgen.
Verena Lutter

Nächste Vorstellung: Sonntag, 29. April, um 18 Uhr im Theatrium (Alte Salzstraße 59)
Eintritt 7,50/4,50 Euro
www.theatrium-leipzig.de

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.04.2012