„Am Ende läuft der Film rückwärts“

„Schlussakkord“ feiert im Theatrium Premiere
LVZ vom 02.05.2016:

Die Leute vom Theatrium spüren ein Kribbeln in den Füßen, wenn sie auf der Bühne stehen. Das sagt eine der Mitwirkenden im „Schlussakkord“ gleich zu Beginn, und man glaubt ihr es aufs Wort. Am Freitag wurde im Kinder-, Jugend- und Mehrgenerationenhaus in der Alten Salzstraße Premiere gefeiert, vor vollbesetztem Saal, mit endlosem Applaus.

Eine Theatergruppe kommt im Theatrium (hier sind Fiktion und Realität eins) wie zu einem Klassentreffen zusammen. Es herrscht eine aufgeräumte Stimmung, so als wolle man die Nacht durchmachen. Isomatten, Knabberzeug und Getränke haben sie dabei, Erinnerungen, Gitarre und E-Piano ebenso. Man erzählt sich Witze, dreht Flaschen und trägt kleinere Konflikte aus. In der Gruppe sind alle Typen vertreten, und obwohl sie laut Programmheft „ersponnen“ sind, wirken sie doch ziemlich echt.

Punk, Gothic, Eso-Tante, Rasta-Mädchen oder Stotterer sowie zwei erfrischende Muttis sitzen, tanzen und reden miteinander und werden schlaglichtartig vorgestellt. Zumeist erinnern sie sich dann an Negatives, während im Hintergrund die Handlung weiterläuft. Eine hat ihren Vater nie kennengelernt, eine andere Schmerz erfahren, die nächste zu viel Alkohol getrunken. Auch die DDR bekommt eins vor die Arbeiter-und-Bauern-Mütze, denn (Groß-)Mutti Helga berichtet von der Leipziger Beat-Demo, die in den 60er Jahren mit Wasserwerfern aufgelöst wurde. Zum Glück werden aber nicht sämtliche Probleme der Welt angepackt.

Es gibt auch komische Szenen. Einer der Jungs nimmt in seiner Freizeit an Mittelalter-Fantasy-Rollenspielen teil, ein anderer macht sich darüber lustig, woraus sich ein zeitlupenhafter Schwertkampf mit Schirm und Staubwedel entwickelt. Das ist gut choreografiert umgesetzt und dementsprechend amüsant anzuschauen.

Die erste große Liebe wird behandelt („Nach der hab ich meinen Wellensittich benannt!“), was in diesem Rahmen auf keinen Fall fehlen darf. Und dann geht immer mal das Licht aus, piepst der Feueralarm. Warum der ausgelöst wird und wovon, bleibt ein Rätsel. Die Panik der Gruppe wirkt nicht glaubhaft, sie sind, wie alle wissen, im Theatrium. Sie kämen hier raus, wenn sie müssten. Wofür steht das Feuer? Für Gefahr allgemein oder für etwas Konkreteres?

Geklärt wird diese Sache nicht. Nun ist das manchmal recht interessant, wenn Fragen offen bleiben und das Publikum im Nachhinein selbstständig weiterspinnt und -denkt. Bei der Gelegenheit kann es sich auch überlegen, warum einige Sätze im Stück in englischer Sprache vorgetragen werden.

Auf jeden Fall effektvoll und überraschend kommt das Ende. Die Esoterikerin lässt den Film rückwärts laufen und rettet so die versammelte Mannschaft. Das ist wiederum gut gemacht, die Gruppe bewegt sich perfekt. Welche Erkenntnis jedoch nimmt man sich mit nach Hause? Wovon war das der Schlussakkord? Von einer unbeschwerten Zeit?

Nächste und vorerst letzte Aufführung: am 6. Mai, 20 Uhr, im Theatrium, Alte Salzstraße 59, Telefon 0341 413640.

Bert Hähne

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 02.05.2016