„Alte Fußböden, marode Fenster: Grünauer Schule ist ein Sanierungsfall“


Stadtelternrat: Mängelliste bleibt seit Jahren liegen – schwere Vorwürfe gegen das Rathaus
LVZ vom 19.04.2016:


Die 84. Schule muss dringend saniert werden, doch das Geld fehlt. Schuld daran sei, dass Leipzig seine neuen Schulen viel zu aufwendig errichtet, meinen Kritiker.
(Foto: André Kempner)


Der Stadtelternrat schlägt Alarm: Die Zustände in der 84. Schule in der Stuttgarter Allee 5 seien unzumutbar. Die Abteilung Hygiene des städtischen Gesundheitsamtes verfasse seit Jahren Mängellisten – doch die Stadt unternehme nichts. „Das ist die schlimmste Schule, die ich je gesehen habe“, sagt Petra Elias. Als Leiterin des Arbeitskreises Oberschulen im Stadtelternrat inspiziert sie seit vier Jahren Leipziger Schulen. Andere Experten warnen: Leipzig errichte seine Schulen viel zu aufwendig und stecke dafür zu wenig in die Sanierung der alten Gebäude. Jugendamtsleiter Nicolas Tsapos widerspricht.

Die 84. Oberschule ist ein Plattenbau, der in den 70er Jahren entstanden ist. „Der Fußboden stammt wahrscheinlich noch aus dieser Zeit, es gibt zahlreiche tiefe Stellen, die für Schüler gefährlich sind“, listet Petra Elias auf. „Die Fenster sind morsch und die Wärmefühler der Heizung sind an den Decken angebracht.“ Dadurch seien die Raumtemperaturen in der kalten Jahreszeit oft zu niedrig. „Im Winter kommen die Lehrer früh in die Schule und schauen, welche Räume nutzbar sind“, schildert die Mutter von drei Kindern die Situation in der Grünauer Platte.

Für Leipzigs Bildungsagentur sind solche Probleme nicht neu. „Ich kenne die Zustände in der 84. Schule nicht“, sagt dort Sprecher Roman Schulz. „Aber es gibt in Leipzig eine ganze Reihe von Schulen, deren Zustand grenzwertig ist.“ Seine Behörde könne dem Gesundheitsamt der Stadt nicht vorschreiben, wann es einzuschreiten hat. „Wir selber dürfen nur einschreiten, wenn der Zustand so schlecht ist, dass der Unterricht in den Räumen nicht mehr vertretbar ist“, so Schulz. „Aber wann ist das erreicht?“, fragt er. „Und wo werden die Schüler unterrichtet, wenn eine Schule gesperrt wird. Auf dem Schulhof?“

Experten der Aufsichtsbehörde werden hinter vorgehaltener Hand deutlicher: Leipzig baue seine neuen Schulen viel zu aufwendig, heißt es. Aber dies könne man sich nur leisten, wenn alle anderen Schulen gut in Schuss sind. Ansonsten reiche der Etat nicht für alle Schulen. In anderen sächsischen Städten seien mit weniger Geld alle Schulgebäude hell, sauber, trocken und schön hergerichtet worden. „Leipzig betreibt dagegen eine Riesen-Traumtänzerei“, heißt es.

Auch Petra Elias berichtet, dass die 84. Schule schon mehrfach aus Bauprogrammen gestrichen wurde. „Diese Schule fällt immer hinten runter, wenn etwas zu verteilen ist“, hat die Bürokauffrau entdeckt. Dies bestätigt die Vize-Schuldirektorin der 84., Ines Wöckel, auf Anfrage. „Die Mängel gibt es schon seit Jahren, sie werden aber nicht zur Genüge beseitigt“, sagt sie.

Petra Elias hat nach der jüngsten Begehung im März Sozial-Bürgermeister Thomas Fabian (SPD) direkt auf die Misere angesprochen. „Er hat auch betroffen geschaut“ berichtete sie. „Aber geschehen sei nichts.“ Dies sei auch deshalb fatal, weil in der 84. viele Kinder aus sozial angespannten Verhältnissen lernen. „Dort gibt es eine der höchsten Schulabbrecherquoten – über 20 Prozent“, sagt sie. „Die Stadt muss mit besseren Lernbedingen helfen, eine an sich schon prekäre Situation zu erleichtern“, fordert sie.

Auch viele Lehrer hätten in der 84. schon resigniert. „Von den drei neuen Lehrern in der letzten Zeit blieb einer ein Jahr“, erzählt Elias. „Einer gab nach einem halben Jahr auf, und einer verabschiedete sich nach drei Monaten – wohl in Richtung Sachsen-Anhalt.“

Jugendamtsleiter Nicolas Tsapos bestätigte gestern, dass die Sanierung der 84. auch im nächsten Doppelhaushalt 2017/18 nicht vorgesehen ist. Er wies aber den Vorwurf zurück, die Stadt investiere zu wenig in ihre bestehenden Schulen. „Im nächsten Doppelhaushalt werden allein in Grünau drei bestehende Schulen saniert“, sagte er. In der 84. seien vor einiger Zeit die Toilettenanlagen erneuert worden.

Andreas Tappert

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.04.2016