„Ab fünf Uhr in den Kindergarten“

Sachsen startet in zwölf Einrichtungen Modellprojekt zu verlängerten Öffnungszeiten. Auch integrative Kita „Kinderland“ aus Grünau dabei.
Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 24.02.2012:

Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, hat die sächsische Landesregierung ein Modellprojekt für flexible und längere Öffnungszeiten von Kindertagesstätten auf den Weg gebracht. Für die Teilnahme an dem durch Haushaltsmittel des Ministeriums für Kultus und Sport geförderten Programms haben sich 34 Einrichtungen beworben – zwölf von ihnen erfüllen die Voraussetzungen.

„Wir sind früher schon von Eltern, die berufstätig sind, angesprochen worden, dass sie ihre Kinder gerne länger betreuen lassen würden“, sagt Pfarrer Martin Teubner von der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde St.Martin in Meerane (Landkreis Zwickau), die den gleichnamigen Kindergarten trägt. Im Herbst 2011 dann, als es um die Bewerbung für das Modellprojekt ging, habe man eine richtige Umfrage gestartet: Rund ein Drittel der 70 betreuten Kinder würde länger bleiben, wenn es möglich wäre, sagten die Eltern. Die bisherigen Öffnungszeiten von 6.30 Uhr bis 16.30 Uhr machten es für Arbeitnehmer manchmal schwierig, Job und Kind unter einen Hut zu bringen.
Genau auf deren Entlastung zielt das am 1. Februar gestartete Modellprojekt ab. Kitas, die die Öffnungszeit ihrer Einrichtung über das aktuelle Angebot hinaus an mindestens einem Tag in der Woche verlängern, können drei Jahre lang finanzielle Förderung vom Land erhalten. 50 Prozent der Mehrausgaben für Personal- und Sachkosten, die durch die verlängerte Öffnungszeit anfallen, werden dabei übernommen – allerdings nur, wenn der Träger oder die Gemeinde für die andere Hälfte aufkommt.
Der Kindergarten St.Martin in Meerane wird von der Kommune unterstützt, weil er dort bislang die einzige Einrichtung ist, die verlängerte Öffnungszeiten anbietet. Konkret heißt das seit dem 1. Februar, dass Kinder dort dienstags bis donnerstags bis 18.30 Uhr betreut werden können. „Ich zum Beispiel arbeite in der Regel acht Stunden, muss dann pro Strecke zur und von der Arbeit eine Stunde Fahrtzeit einrechnen“, erzählt die Elternbeiratsvorsitzende Carola Hinz, selbst Mutter von zwei Söhnen. „Da konnte es bei der bisherigen Öffnungszeit von zehn Stunden schon mal eng werden.“
Diese Erfahrung teilten auch Eltern, die ihre Kinder in der integrativen Kita Kinderland der Arbeiterwohlfahrt in Leipzig betreuen lassen. „Viele sind im Pflegedienst beschäftigt, da ist Arbeitsbeginn um sechs Uhr oder früher“, erklärt Kita-Leiter Enrico Barthel. Etwa 20 Prozent der Eltern hätten für längere Öffnungszeiten Interesse gezeigt. Bislang war die Einrichtung von sechs Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet. Wirklich länger betreut werden in den ersten Wochen seit Anlauf des Projekts nun aber erst sieben der 156 Kinder.
Relativ hohe Hürden sollen verdeutlichen, dass die Betreuung in der derzeit voll ausgelasteten Kita nur ein familienergänzendes Angebot ist, und längere Zeiten demzufolge nur für die Kinder jener Eltern gelten sollen, die beruflich auch wirklich entsprechend eingesetzt sind. „Das heißt, wir verlangen darüber von beiden Elternteilen eine Bestätigung des Arbeitgebers. Und wir müssen eine Woche vorher über die Bring- und Holzeiten informiert werden. Schließlich müssen wir unseren Dienstplan ja auch darauf abstimmen.“
Prinzipiell besteht nun also die Möglichkeit, das Kind um fünf Uhr zu bringen und um 20 Uhr abzuholen. „Aber das macht natürlich keiner“, sagt Barthel. Ein Großteil der Eltern hat sich für eine Betreuungszeit von 45 Stunden wöchentlich entschieden, die sie im Normalfall auf neun Stunden täglich aufteilen, aber auch anders splitten können. „Wir regen aber an, dass die Kinder am Vormittag auf jeden Fall hier sind, wegen der pädagogischen Angebote.“
Durch die längeren Öffnungszeiten werden sich auch Änderungen beim 17-köpfigen Team der Kita ergeben. „Wir werden das Personal aufstocken müssen“, meint Barthel. Genau dazu soll die finanzielle Förderung des Freistaats dienen. Der andere Teil der Kosten wird bei der Kita Kinderland durch Drittmittel gestemmt. Auf die Eltern hingegen kommen keine weiteren Kosten zu. Sie zahlen in Leipzig für 45 Wochenstunden Betreuung beim ersten Kind 202,19 Euro, beim zweiten 121,31.
Insa van den Berg

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 24.02.2012