„JohannSebastian Bach“ setzt auf mobile Jugendarbeit

Lions Club spendet für Streetworking-Projekte in Grünau und Alt-West / Verein hat es zunehmend mit kleinen Kindern zu tun – LVZ-Artikel vom 22.04.2014:

Jedes Jahr im Herbst organisiert der Leipziger Lions Club „Johann Sebastian Bach“ ein Benefizkonzert und im Jahresverlauf weitere Aktionen, bei denen Spenden eingeworben werden. Im Nachgang entscheiden dann die Club-Mitglieder, wem die Gelder zugute kommen sollen. Seit längerer Zeit schon unterstützt der Club Schüler der Filatow- und der Sprachheilschule. In diesem Jahr kamen Spenden an die Caritas in Grünau und an den Verein für Brandverletzte hinzu. Nun floss der letzte Teil des Geldes an eine soziale Einrichtung: an den Verein Mobile Jugendarbeit Leipzig.
Acht Sozialpädagogen gehören zum Team des Vereins. Ihr Konzept ist Streetworking – dahin gehen, wo die Jugendlichen sich aufhalten und mit ihnen ins Gespräch kommen. „Wir wollen den jungen Leuten nicht fertige Konzepte präsentieren und dann warten, dass sie kommen, sondern wir sprechen mit ihnen gemeinsam über ihre Bedürfnisse und entwickeln daraus Projekte“, sagt Katrin Zschuckelt, die Vereinsleiterin. Sportliche Aktivitäten wie Fußball oder Volleyball stehen dabei an erster Stelle, aber auch Graffiti- oder Foto-Video-Projekte sind beliebt. Dabei haben die Sozialarbeiter mit dem Zeitgeist zu kämpfen. „Verabredungen sind unverbindlich. Es passiert, dass wir mit einigen Kids etwas vereinbaren, die freuen sich auch drauf, und wenn der Termin heranrückt, dann steht bei Facebook plötzlich ,Die Clique trifft sich heute da und da‘ und alle sind weg“, erzählt die 46-Jährige.
Zirka 150 Jugendliche haben stabile Beziehungen zum Verein, darüber hinaus gibt es pro Jahr bis zu 9000 „lose“ Kontakte der Streetworker zu Kindern und Jugendlichen an den beiden Standorten des Vereins in Grünau und Alt-West.
Auffällig und problematisch zugleich: Der Kreis der zu Betreuenden wächst seit einiger Zeit. „Ein Problem aller Jugendeinrichtungen in Problemvierteln ist, dass zunehmend kleine Kinder in unsere Räume kommen. Sie werden von älteren Geschwistern mitgebracht, denen die Eltern die Aufsicht übertragen“, sagt Sozialpädagogin Zschuckelt. „Wir hatten hier schon Grundschüler, die in den Ferien morgens um acht von ihren Eltern mit zwei Euro aus der Wohnung geschickt wurden und abends um acht erst wieder nach Hause kommen durften.“ Für eine derartige Intensiv-Betreuung sei die Mobile Jugendarbeit aber nicht ausgestattet. Da müssten konzeptionell neue Wege eingeschlagen werden und es bedürfe der Unterstützung durch die Kommune, betont Katrin Zschuckelt.
„Genau solche Berichte sind es, die uns dazu bewogen haben, für den Verein Mobile Jugendarbeit zu spenden“, sagt René Rottleb (40) vom Lions Club. Mit dem Geld will der Verein ein Sommercamp für sieben Jugendliche und zwei Betreuer organisieren. Die Kids sollen mit entscheiden, wohin die Reise geht, ob sie in einem Zelt oder einer Jugendherberge schlafen wollen, was es zu essen gibt. Für die Betreuer ist das eine einmalige Chance, spielerisch gruppendynamische Prozesse anzustoßen und zu beobachten. Für die Jugendlichen ist es oft eine ganz neue Erfahrung, mal rauszukommen aus der gewohnten Umgebung, sich auf neue Dinge einzulassen. Und die Streetworker beobachten immer wieder: „Wer die Nase in Grünau vorn hat, hat das nicht unbedingt im Wald.“
Wie sehr eine Spende den „Mobilen“ hilft, lässt das Budget erahnen: Für die inhaltliche Arbeit stehen dem Verein pro Jahr pro Team gerade mal 1500 Euro zur Verfügung.

Katrin Kleinod

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 22.04.2014