„Ohne Angst vorm Scheitern“

Schüler und Lehrer des Max-Klinger-Gymnasiums sammeln für Stolperstein-Verlegung – LVZ vom 30.06.14:

Zehn mal zehn Zentimeter sind sie groß, die glänzenden Messingplatten, auf denen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Knapp 240 dieser Stolpersteine gibt es zur Zeit in Leipzig. Geht es nach den Mitgliedern der Projektgruppe Schulgeschichte im Leipziger Max-Klinger-Gymnasium, kommen bald noch 13 hinzu. Mit den kleinen Mahnmalen möchte die Gruppe aus der Grünauer Bildungseinrichtung an Berta Rosenfeld und Rosa Szyja, zwei ehemalige Schülerinnen, und deren Familien erinnern. Sie alle kamen in den Nazi-Vernichtungslagern Auschwitz und Belzec ums Leben.
Um die Stolpersteine finanzieren zu können, baten die geschichtsinteressierten Klinger-Schüler gerade auch in den früheren Wohnhäusern der Familien Rosenfeld und Szyja um Spenden. Mitte Juni hatten sie dort bereits Flyer verteilt, um über das Projekt zu informieren und ihren Besuch anzukündigen. Die Faltblätter klären über das Schicksal von Berta und Rosa auf. Beide besuchten in den 30er Jahren die Max-Klinger-Schule, die damals noch in der Karl-Heine-Straße beheimatet und eine reine Mädchenschule war. Berta wohnte im Haus Karl-Heine-Straße 47, Rosa in der Schnorrstraße 20. Gemeinsam mit den Lehrern Ralph Rüdiger und Rainer Noack verfolgte die Projektgruppe die Spur der jungen Jüdinnen, die sich schließlich in den Vernichtungslagern verlor.
Nach dem „Klinkenputzen“ in den beiden früheren Wohnhäusern der beiden NS-Opfer zog Ron Leuchtemann (19), Gründungsmitglied der aktuell achtköpfigen Gruppe, ein gemischtes Fazit: „In der Schnorrstraße 20 lief es sehr positiv. Dort wohnen mehr junge Familien und es gab einige Zusagen, dass die Leute uns unterstützen und spenden wollen.“
In der Karl-Heine-Straße 47 hingegen hatten die jungen Leute wenig Erfolg. Viele Türen blieben verschlossen. „Immerhin war jeder, der uns die Tür geöffnet hat, interessiert und hat sich angehört, was wir zu sagen hatten“, sagte der 14-jährige Daniel Werner hinterher. So wie der junge Mann, dem Lehrer Rüdiger, Leuchtemann und Werner im Hausflur begegneten. Eine gute Sache sei das schon, meinte er. „Aber leider habe ich nicht das Geld dafür.“ Rüdiger zeigte Verständnis. „Hier wohnen mittlerweile sehr viele junge Leute, vor allem in Studenten-Wohngemeinschaften.“ Bei denen sitze das Geld eben nicht so locker. „Und wir wollen ja auch nicht hausieren gehen und betteln.“
Müssen die Schüler und Lehrer wohl auch gar nicht: Rund 600 Euro zeigt das Spendenthermometer auf der Internetseite der Max-Klinger-Schule bis jetzt an – nur einen Monat nach dem Start der Spendenaktion. „Schon am ersten Tag kam eine Schülerin mit einem 50-Euro-Schein an, den ihr die Oma gegeben hatte“, schilderte Lehrer Rüdiger. Offenbar sei vielen jungen Eltern daran gelegen, mit ihrer Unterstützung auch ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Trotz des großen Engagements: Eine stattliche Summe fehlt schon noch. „Ein Stolperstein kostet 125 Euro, hinzu kommen die 113 Euro für die Flyer“, rechnete Rüdiger vor. Insgesamt brauche die Projektgruppe also 1738 Euro – und das bis zum 18. Juli. „Diese Deadline haben wir uns selbst gesetzt, denn dann beginnen die Sommerferien. Und in dieser Phase wird es schwerer, gemeinsame Aktionen zu koordinieren.“
Verlegt werden sollen die Steine am 9. September – wenn alles gut geht. Angst vorm Scheitern haben Leuchtemann, Werner & Co. aber nicht. „Ich sehe ja auch die Liste im Lehrerzimmer mit den Kollegen, die sich bislang beteiligt haben“, berichtete Pauker Rüdiger. „Einige warten noch ab, aber je länger diese Liste wird, desto mehr Unentschlossene machen am Ende noch mit.“
Und zur Not, schob Schüler Werner hinterher, „machen wir noch viermal einen Kuchenbasar“. Auf diese Weise habe die Klinger-Schule bei ähnlichen Projekten durchaus schon stattliche Summen zusammenbekommen.

Stefan Lehmann


Wer für das Stolperstein-Projekt spenden möchte, findet weitere Informationen unter:
www.klingerschule.de


Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 30.06.2014