Die Kunst hinter der Bühne: Kostüm- und Masken-werkstatt im Theatrium –
Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 13.11.2014:
Wer ans Theater will, will auf die Bühne, ins Spiel, die Rolle. Eigentlich. Aber natürlich ist Theater mehr als das, was im Rampenlicht passiert. Und die Erfahrung, dass auch das spannend und eine Herausforderung sein kann – auch diese Erfahrung hinter den Kulissen und vor den Vorstellungen ermöglicht das Grünauer Theatrium.
Dass man auf der Bühne des Großstadtkinder e.V. mehr geboten bekommt als bloßes sozial-pädagogisches Probleme-Durchspielen, sollte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Immer wieder gibt es dort Inszenierungen, die den Schritt zum mutigen Sujet, zum Kunstanspruch wagen – und das oft erstaunlich souverän und originell. Was auch damit zu tun hat, dass neben dem inhaltlichen der ästhetische Aspekt und dessen handwerkliche Voraussetzungen hier nicht nur als Fußnote behandelt werden.
Oliver Viehweg ist seit nunmehr vier Jahren für die Theatrium-Werkstatt verantwortlich, also für eine Arbeit hinter der Bühne: „Es gibt ja Leute mit Lust auf Theater“, erklärt der 28-jährige hauptberufliche Modedesigner, „mit Lust auf Kreativarbeit beim Bühnenprozess. An dem sie partizipieren möchten – aber eben ohne im Rampenlicht zu stehen.“
So wie Julia Natke, 15 Jahre, die mit dem freundlichsten Lächeln der Welt von ihrer Faszination für den Horrorfilm erzählt, für das Maskenhafte, das auch blutig-gruslig Surreales erzählt. Nun ist es ja nicht so, dass einschlägige Sujets am Theatrium im Übermaß bedient werden. Aber masken- und kostümbildnerisch kann man eben trotzdem was lernen: „Ich kann mich ausprobieren. Ich kann mit Ideen kommen und es ist jemand da, der mir zeigt, wie man das umsetzt. Aber eben ohne dass das nervig ist.“
Dieses Klima ist zweifellos ein entscheidender Aspekt. Julia: „Für mich ist das hier alles wie eine zweite Familie. Ich bin fast so oft hier wie zu Hause.“ Interessant dabei mag sein, dass das der Arbeitsdisziplin nicht abträglich ist. Man fragt sich, wie das funktionieren mag, dieser Balanceakt zwischen dem gewissen professionellen Anspruch und dem Umstand, dass zugleich die Kinder und Jugendlichen ihren Freizeitspaß haben.
„Die Kids wollen sich ja ausprobieren. Und gerade auch die in der Schneiderei, hier in der Werkstatt wollen das. Da ist ein kreatives Grundbedürfnis vorhanden“, sagt Viehweg. „Und deshalb ist es wichtig, dass man Möglichkeiten bietet, einen Raum und Impulse. Immer mit dem Gedanken: Probieren ist wichtig, aber eben ziel- und ergebnisorientiert.“
Disziplin lernen ist also nötig. Wobei der Druck eines Premieren-Termins freilich hilfreich ist. Doch geht es nicht um Disziplin um ihrer selbst Willen. „Es geht um das Gefühl der Verantwortung“, so Viehweg, „das merkt man irgendwann daran, wie die Kids die Kostüme lieben und sie pflegen. Und es ist mittlerweile angekommen, dass auch hinter den Kulissen wertvolle Arbeiten geschaffen werden.“
Zum Beispiel jenes weiße Kleid in üppig ausladendem Barock, das im Finale der Inszenierung „Still wird das Echo sein“ seinen – das muss man so sagen – großen Auftritt hat. Das was die Werkstatt macht, sagt, ist laut Viehweg im Ansehen gestiegen. „Und ich glaube, es hat die Produktionen nach vorn gebracht, das Ästhetische mehr zu protegieren.“
Was generell den Mut zum Artifiziellen, zum formalen Fabulieren einschließt. Theater ist zuallererst eine Kunst – für die Sinne, und das wird an kopflastigen deutschen Bühnen, die Kindern ja ebenso gern belehrend daherkommen wie Erwachsenen, gern vergessen. Dass sich das Theatrium wieder mehr daran erinnert, spricht für das Haus. Und vielleicht für die Zukunft des Theaters insgesamt: „Ich möchte später Maskenbildnerin werden“, steht für Julia fest. Und für ihre weitere Theatrium-Arbeit wünscht sie sich mal was mit „mehr Make-up und Maske. Etwas mit mehr Effekt, nicht nur das Normale wie meistens.“ Sehr gut, dieser Wunsch.
Steffen Georgi
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 13.11.2014