Menschen aus Grünau: „Von Leipzig in die Welt – und zurück“

Unternehmer Robert Merkel baut in der Messestadt einen Digitalverlag auf – LVZ vom 19.05.2015:

Als die Mauer viel, ging Robert Merkel noch zur Schule. „Ab heute kann uns kein Staat mehr vorschreiben, was wir machen. Sondern nur wir selber“, sagte seine Mutter damals zu ihm. Er vergaß die Worte nicht – und machte sich nach seinem Abitur direkt auf. In die weite Welt. Jetzt ist er wieder in der Stadt. Um viele Erfahrungen reicher und gerade dabei, sein eigenes Unternehmen hochzuziehen.
Geboren wurde Merkel 1977 in Gohlis. Doch schon mit drei Jahren ging es nach Grünau. Die Mutter war alleinerziehend. Kinderunterhalter oft der Fernseher. Damals wusste Merkel noch nicht, dass er mal in der Medienindustrie arbeiten würde. Sein Abitur machte er am damaligen Lichtenberg-Gymnasium, zum Studium ging es nach Köln. Er erwarb sich das theoretische Grundwissen zu Betriebswirtschaft und Medien für die spätere Laufbahn. Glück für ihn nach dem Studium: Das internationale Medienunternehmen Twentieth Century Fox holte ihn nach London. „Ich hatte während meines Studiums schon mal ein Praktikum bei denen gemacht“, erinnert sich der heute 37-jährige Medienunternehmer. Er stellte sich anscheinend ziemlich gut an. Und folgte dem Ruf nach London. Hinaus in die internationale Firmenwelt.
In der englischen Metropole wohnte er mit einem guten Freund zusammen. Die Stadt war teuer und die Arbeitszeiten lang. Doch wenn Merkel davon erzählt, glänzen seine Augen noch heute. „Wir hatten damals echt eine richtige gute Zeit“, sagt er nur.
Vier Jahre blieb er in der Themsestadt. Dann schickte ihn Fox nach Russland. Warum gerade ihn? „In der Schule hatte ich Russisch gelernt. Auch wenn davon nicht mehr so viel übrig war, für meine Chefs war klar: Ich sollte dahin.“ 2006 war das. Russland boomte damals. Rohstoffverkäufe brachten viel Geld ins Land. Der Ukrainekonflikt war noch nicht absehbar. Eigentlich ein guter Markt für ein Medienunternehmen wie Twentieth Century Fox, unter anderem Produzent zahlreicher Hollywood-Filme. Doch in Russland galten die gängigen Regeln nicht. Die Filme wurden zwar geschaut, doch verdienen ließ sich daran kaum etwas. „Alles lief damals über Filmpiraterie“, erklärt Merkel. „Und Fox hatte mich beauftragt, die Piraterie zu bekämpfen.“ Der neue Job bedeutete für den Medienunternehmer in erster Linie wieder: viel Arbeit.
Doch schon nach zwei Jahren zog es ihn wieder zurück nach Deutschland. Der Unterhaltungskonzern Disney warb ihn ab. Es ging nach München. Bis 2014. Dann kam eine Zäsur in Robert Merkels Leben. Die jahrelangen Überstunden forderten ihren Tribut: Burn-Out. Der Vertrag mit Disney wurde aufgelöst, Merkel gönnte sich eine Ruhepause. Privat lief es besser. 2013 heiratete er. Doch schon vor dem Burn-Out stellte er sich immer mehr die Frage, was er noch erreichen wolle in seinem Leben. Die Zäsur, der Abschied vom alten Job ließ dann plötzlich Platz für Neues. Es sollte etwas Eigenes werden. Ein dreiviertel Jahr später sitzt Robert Merkel in einem Konferenzzimmer. Sechste Etage. Blick auf die Oper. Er ist zurückgekommen in seine Heimatstadt. Sie hat sich verändert, während er weg war. Genau so wie er selber. Jetzt finden beide wieder zueinander. In der Messestadt baut der Medienunternehmer ein Start-Up auf. Den Digitalverlag Life Media Group AG. Er hilft Autoren – bekannten und noch unbekannten – bei der digitalen Veröffentlichung und Vermarktung ihrer Bücher. Die eigene Geburtsstadt, für Merkel die ideale Wahl. „25 Jahre nach der Wende entstehen hier viele junge Firmen. Und gute Leute sind auch schon da“, schwärmt er von Leipzig.

Lucas Grothe

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.05.2015