„Im Zentrum der Macht“

Grünauer Schüler nehmen an einem Planspiel des Bundesrates teil und üben sich in parlamentarischer Demokratie – LVZ vom 23.11.2015:

Parlamentarische Demokratie ist nicht einfach. Und der Job des Berufspolitikers ist es auch nicht. Das haben jetzt Oberstufenschüler des Bischöflichen Maria-Montessori-Schulzentrums in Grünau am eigenen Leibe erfahren. Die Elft- und Zwölftklässler waren Teil eines zweitägigen Planspiels in Berlin. An „Jugend im Bundesrat – Schülerinnen und Schüler im Zentrum der Politik“ nahmen neben der Montessori-Abordnung noch weitere junge Leute aus sechs anderen sächsischen Schulen teil. Einige von ihnen stellten das Verfahren in der deutschen Länderkammer nach. Dabei tauchten sie in die Rolle der Mitglieder des Bundesrates ein – kritisch beobachtet von ihren Mitschülern, die etwa als Journalisten via Twitter berichteten. Im Vorfeld des Planspiels kamen die Jugendlichen in den Genuss von Führungen durch Bundesrat und Bundestag.

Ziel des Rollenwechsels war es, Jugendlichen dabei zu helfen, sich eine eigene politische Meinung zu bilden und sich über die Abläufe des Gesetzgebungsprozesses zu informieren. Zunächst einmal brauchte es Ministerpräsidenten, Bundes- und Staatsminister sowie die Vertreter der Presse. Sodann hatten sich die Schüler mit drei realen Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung und des Bundesrates auseinanderzusetzen: Hierbei ging es um ein bundesdeutsches Hochwasserschutzgesetz, die Umverteilung von Bundesmitteln zum Betreuungsgeld auf die Kinderbetreuung und den Einsatz von Genmais.

Was den Grünauern im Zuge der Debatten in den Ausschüssen schnell klar wurde: Um zu zufriedenstellenden Ergebnissen zu gelangen, sind Kompromissfähigkeit und Kommunikation entscheidend. Alle Beteiligten bestätigten hinterher, dass sich das Planspiel „sehr realistisch und authentisch“ angefühlt habe. Höhepunkt und Abschluss der Simulation bildete die Plenarsitzung, bei der die erarbeiteten Ergebnisse vorgetragen und per Abstimmung verabschiedet wurden. Und auch das gehörte zum Planspiel: Die neuen Gesetze wurden der Öffentlichkeit anschließend in einer Pressekonferenz präsentiert.

„Ich finde es beeindruckend, wie lange der Gesetzgebungsprozess dauert. Politiker müssen Geduld aufbringen. Gute Kompromisse sind mit viel Anstrengung verbunden“, lautete das persönliche Fazit von Montessori-Schüler Fabio Banet (17). Sein „Kollege“ Paul Schober sah das ganz ähnlich: „Jetzt verstehe ich, warum es so lange dauert, bis ein Gesetz verabschiedet werden kann“, sagte der 16-Jährige. Die gleichaltrige Annette van Biezen meinte: „Ich habe gelernt, dass bei den widersprüchlichen Anforderungen, die Parteiebene, Landesebene und Koalitionspartner an einen Politiker stellen, die Bereitschaft zu Abstrichen und Kompromissen sehr hoch sein muss.“

Bemerkenswert auch das Resümee von Elisabeth Schöbel. „Die Einstellung, dass Politiker nur an ihre eigenen Interessen denken, ist falsch. Ich kann jetzt besser nachvollziehen, dass die Herausforderung darin besteht, an das Große und Ganze zu denken und alle Beteiligten zu berücksichtigen“, sagte die 17-Jährige über die Tage von Berlin. Oder um es mit Georg Taut (18) zu formulieren: „Ich habe gelernt, dass für Politiker die Herausforderung darin besteht, Einzelinteressen und Gemeinwohl unter einen Hut zu bekommen.“

Anja Schiffner, Helena Dörr, Julia Schreiber, Johannes Moschütz

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.11.2015