„Am Puls der Zeit“

Beeindruckende Inszenierung am Theatrium:
Das Kinder- und Jugendstück „Reset“ feierte Premiere

Junge Mädchen sitzen um drei Tische herum, vor ihnen rote Gläser. Sie selbst und ihre Umgebung sind farblos. Die Möbel und Wände sind schwarz wie ihre Röcke, ihre Polohemdchen schwarz oder grau. Alle tragen die Haare hochgesteckt. Dann fällt fahles Licht auf die Mädchen, und sie klatschen rhythmisch auf den Tisch und in die Hände, mit dem Blick nach oben und rufen „Tempus Fugit“ – die Zeit vergeht.


Disziplin ist alles, und stets werden die Internatsschüler überwacht – eine Szene aus „Reset“ am Theatrium


Am Samstag hatte im Theatrium in Grünau das Stück „Reset“ Premiere – die vierte Premiere in dieser Spielzeit, zwei weitere folgen. Das anspruchsvolle Kindertheaterprojekt ab 10 Jahren unter der Projektleitung von Anne Rab, hauptsächlich mit Jugendlichen besetzt, spielt in einem Internat, in dem die Mädchen von ihrem Professor, gespielt von Arthur Herrmanns, über die allgegenwärtige Macht der Zeit erfahren und den Glauben an diese zelebrieren, die genauso sehr ein wissenschaftliches Konzept wie eine Sache der Wahrnehmung ist.
Statt gegen die Zeit anzukämpfen, wird im Internat alles nach ihr ausgerichtet. Das merkt man auch an den Bezeichnungen für die Mädchen: die Ranghöchsten, die schwarz tragen, sind volle Stunden und somit auch das, zu dem die Schülerinnen in grauen Hemden noch aufsteigen wollen. Ein weißes Hemd bekommt Neuankömmling Hope, deren Eintreffen Bewegung in die Handlung bringt, die innerhalb von etwa einer Stunde die Spannung hin zu einem markanten Ende aufbaut. Das Gefühl, in einer seltsamen Form von Sekte gelandet zu sein, stellt sich schnell ein. Besonders wenn der Professor die Unterschiede zwischen der Welt da draußen, die in Hass und Gewalt versinken soll, und den straffen Regeln des sicheren Internats erläutert, das die Mädchen ihr Zuhause nennen, schält sich schnell Fanatismus heraus. Aufgabe der Schülerinnen ist es, herauszufinden woran sie glauben und was sie denken.
Bei „Reset“ greifen sämtliche Aspekte, die man braucht, um eine passend düstere Stimmung zu erzeugen, auf gelungene Art ineinander. Die Musik ist sehr gut ausgewählt, die Beleuchtung lässt die Umgebung oft noch grauer, teilweise gespenstisch wirken. Die recht minimalistische Szenographie und die wenigen Requisiten sind clever eingesetzt, so dass man den Eindruck bekommt, mehr auf der Bühne zu sehen als tatsächlich vorhanden. Nicht zuletzt die durchweg guten Leistungen der jungen Darsteller verstärken die beklemmende Atmosphäre. Manchmal sträubt sich sogar Gänsehaut – wie bei Auftritten von Lilly Gräfe als gute Seele des Internats, Dolores.
Gerade die Szenen, in denen nahezu militärisch die Rituale des Internats zelebriert werden, wirken bedrohlich. Obwohl sich die Darstellerinnen viel im Gleichschritt bewegen, erkennt man die einzelnen Charaktere gut. Die Inszenierung ist düster, manchmal unbequem – und zeitgemäß. Generell kommen Fanatismus, Schreckensszenarien und Dystopien seit ein paar Jahren stärker auf. Das Theatrium schafft es, ein Szenario auf die Bühne zu bringen, das im Vergleich zu Geschichten wie „Die Tribute von Panem“ beunruhigenderweise gar nicht so weit weg von Alltag und Realität wirkt.


„Reset“ ab 10 Jahren im Theatrium, nächste Vorstellung wurde vom 6. auf den 7. Mai um 16 Uhr verschoben. Reservierungen unter 0341-9413640 oder theatrium@gmx.de


Miriam Heinbuch

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 02.05.2017