Leipzigs neues Hafenquartier in Lindenau kommt gut voran. Am Mittwoch wurde wieder ein Richtfest gefeiert – diesmal vom Investor Deutsche Wohnen, der mit 165 500 Wohnungen zu den größten Vermietern Europas gehört. 2020 soll (fast) die ganze Hafencity fertig sein.
(LVZ vom 25.09.2019)
Es ist kaum zu glauben. Als sich im Frühjahr 2017 die Investoren für das neue Hafenquartier zu einem gemeinsamen Foto aufstellten, war rings um sie herum noch alles eben. Nur weit im Hintergrund ragten die alten Speicher in die Höhe. Wer sich heute an dieselbe Stelle – nahe des neuen Wassertorplatzes an der Lützner Straße – begibt, sieht ein Gebirge aus Kränen und vielen Häusern. Bis Ende 2020 sollten hier 480 Wohnungen für etwa 1000 Menschen entstehen, hieß es 2017. Offensichtlich klappt das, sieht man jetzt.
Architekt gilt als Visionär für Nachhaltigkeit
Am Mittwoch gab es wieder ein Richtfest. Diesmal hatte das Berliner Unternehmen Deutsche Wohnen, einer der größten Vermieter Europas, in die Hafenstraße 5 eingeladen. Dort stehen nun zwei Fünfgeschosser im Rohbau, die Architekt Stefan Forster aus Frankfurt/Main entworfen hat. In der Branche gilt der 61-Jährige als Visionär des nachhaltigen Bauens – seit er aus einem 180 Meter langen DDR-Plattenbauriegel im thüringischen Leinefelde acht schmucke Stadtvillen herausschälte. Auch das erste Neubauprojekt der Deutsche Wohnen in Leipzig vertritt einen besonders nachhaltigen Ansatz, erzählte der Architekt nun vor über 100 Gästen. „Wir kleben hier keine Pappe drauf, die irgendwann abfällt“, sagte er launig über die sonst üblichen Wärmedämmverbundsysteme. Stattdessen kämen Poroton-Steine zum Einsatz, in denen die Wärmedämmung innen enthalten ist. Dadurch lasse sich auch die Fassade optisch viel attraktiver gestalten. Im konkreten Fall würden dafür rote Klinker genutzt, eine Reminiszenz an die Geschichte des alten Industriehafens sowie den typischen Baustil im benachbarten Plagwitz und in Lindenau.
44 Wohnungen zum Wasser ausgerichtet
Die 44 Mietwohnungen (von 50 bis 120 Quadratmeter) verteilen sich auf einen L-förmigen Baukörper und ein Punkthaus. Grundrisse, großflächige Fenster und eleganten Loggien – alles ist zum Karl-Heine-Kanal ausgerichtet. Zur Nachhaltigkeit gehörten auch der Fernwärmeanschluss, eigene Gartenbereiche für die Hochparterre-Wohnungen, ein schlüsselloses Schließsystem, verbreiterte Türrahmen für Rollstuhlfahrer oder eine Barrierearmut durch Fahrstühle, die bis in die Tiefgarage reichen. „Wir setzen auf Langlebigkeit und Qualität“, erklärte Florian Maas, Geschäftsführer bei der Deutsche Wohnen. Für das 15-Millionen-Euro-Projekt sei ein Nachhaltigkeits-Gütesiegel des Bundesbauministeriums angestrebt. In die Gewerbeeinheit im Erdgeschoss solle im nächsten Frühjahr – wenn die Bauleute des Generalunternehmers Porr alles fertiggestellt haben – eine gastronomische Nutzung einziehen.
Gastronomie an der Ufer-Promenade
Sie ist dann direkt an der Promenade und fast neben der Fußgängerbrücke über den Kanal zu finden. Gestern stellten sich dort übrigens alle Bauleute zu einem gemeinsamen Foto auf: ein schönes Bild!
Die Deutsche Wohnen besitzt in Leipzig schon 1800 (Altbau-)Wohnungen und über 100 Gewerbeeinheiten. Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) lobte die Qualität des aktuellen Vorhabens. „Aus heutiger Sicht hätte das Hafenquartier sicher noch etwas mehr Gewerbe und vor allem Sozialwohnungen gebrauchen können“, sagte sie. Doch als die Stadt im Jahr 2015 mit der Vermarktung der vier Hektar Bauland begonnen hatte, sei noch eine andere Zeit gewesen. „Anfangs haben alle über uns gelächelt.“
Große Baufelder nächstes Jahr fertig
Binnen eines Jahres sei es trotzdem gelungen, alle Flächen an 30 Selbstnutzer (für Eigenheime und ein Gemeinschaftshaus) und an neun private Investoren zu verkaufen. Der Erlös lag sogar um einige Millionen Euro höher als ursprünglich geplant. Inzwischen sind drei der neun großen Bauensembles fertiggestellt, also 155 Wohnungen in der Vermietung, berichtete Sebastian Pfeiffer vom kommunalen Projektentwickler LESG. „Alle anderen werden im nächsten Jahr fertig.“ Das gelte auch für die Genossenschaft OurHaus, deren zwölf Familien am 2. Oktober (nebenan) Richtfest feiern. Sie kalkulierten mit Kaltmieten von 8,80 Euro.
Schlussakkord durch neue Kita
Voraussichtlich 2020 starte der Schlussakkord: An der Hafenzufahrt errichtet das kommunale Unternehmen LWB eine Kita mit über 100 Plätzen und 20 Wohnungen mit Mietpreisbindung – bei 6,50 Euro kalt.
Jens Rometsch