Vorerst ein Soziokultur-Projekt – das gestern eröffnete Amt für Wunscherfüllung und Vielleicht-Management (LVZ 01.07.2018)
Wie schon der aus Poesie und Geschäftssprache komponierte Name verrät, läuft hier einiges anders als in der gängigen Vorstellung von Behörden, aus denen der Amtsschimmel im Paragrafenritt auf die Bürger losgaloppiert. Schon auf dem Wunsch-Formular irritieren die gestreuten Sternchen über dem Stadtwappen oder der Hinweis unter dem Punkt „Persönliche Daten“: „Keine Lust, ein Formular auszufüllen? Dann einfach ein wenig mit der Amtsleiterin plaudern.“ Mit Frau Hoffmann also. Als Theaterschaffende, Kulturpädagogin, Autorin und Produktionsleiterin kennt sie sich mit Wünschen und Verwaltungs-Vorgängen (in punkto Kultur-Fördermittel) nämlich verdammt gut aus. Sie hatte die Idee, das Thema Wunscherfüllung zu institutionalisieren und stieß bei Ulrike Bernard, Geschäftsführerin des Soziokulturzentrums Haus Steinstraße, auf offene Ohren. Der Vorschlag passte bestens in das aktuelle Gemeinschaftsprojekt der AG Soziokultur unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“. Darin lotet die Arbeitsgemeinschaft laut Florian Schetelig vom Geyserhaus aus, „wie hoch im von der Stadt Leipzig ausgerufenen Jahr der Demokratie das Potenzial zur Bürgerbeteiligung ist“ – mit künstlerischen Mitteln, versteht sich.
Das in Deutschland einzigartige Amt für Wunscherfüllung und Vielleicht-Management (AWuV) scheint dafür das perfekte Konstrukt mit perfekter Besetzung: „Um im Bild zu bleiben – Solveig ist unsere Wunsch-Amtsleiterin“, sagt Ulrike Bernard lächelnd. In der Tat vermittelt die Kulturschaffende einerseits den unverkrampft-spielerischen Umgang mit einer kommunalen Instanz, andererseits eine angemessene Portion Ernsthaftigkeit. „Ich möchte so bürgerorientiert sein wie möglich, geäußerte Wünsche werden grundsätzlich ernst genommen.“
Wie kann man sich das vorstellen? Wo ist die Grenze der Wunscherfüllbarkeit? Bei einer Hoffmannschen Stichprobe in Grünau, zumindest vorerst Schwerpunktgebiet des AWuV, wollten zwei Befragte eine Wunsch-Flatrate und mehr Gerechtigkeit. „Das habe ich notiert“, so die Chefin. Und wenn jemand am liebsten ein Smartphone hätte? „Dann werden wir darüber sprechen – und über Möglichkeiten, den Wunsch zu erfüllen“. Für das Vielleicht-Management verspricht Hoffmann ausführliche Beratung des Wünschenden, ein Kriterium ist aber auch dessen Wille, sich an der Verwirklichung zu beteiligen. Jeder Wunsch wird festgehalten, dokumentiert – und wenn möglich wahr gemacht; sofern er andere Ämter der Stadt betrifft, will das AWuV mit ihnen den Kontakt suchen. Unterstützt wird sie dabei von Rita Werner, im Kulturamt zuständig für Stadtteil- und Soziokultur. „Die Ergebnisse dieses Projekts sind auch für uns interessant“, sagt sie.
Das Amt, gestern vorgestellt im Grünauer Stadtteilladen, wartet übrigens nicht auf die Bürger, sondern geht zu ihnen: Solveig Hoffmann hat einen Stand beim Projekt „Stadt in der Stadt“, das vom 2. bis 6. sowie 9. bis 13. Juli im Robert-Koch-Park ab jeweils 10 Uhr läuft. Präsent ist es außerdem vom 8. bis 11. Oktober auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Am 12. und 13. Oktober stellt dort die AG Soziokultur die Ergebnisse von „Wem gehört die Stadt?“ in einer großen Abschlussperformance vor, mit über 70 Mitwirkenden unter Leitung von Regisseur Stefan Ebeling.
Und danach – Schluss mit AWuV? „Das Amt kann durchaus eine dauerhafte Einrichtung werden“, sagt Ulrike Bernard. Nun ja, ein Wunsch nach dem anderen …
Wünsche können auch gemailt werden an: awuv@haus-steinstrasse.de
Mark Daniel
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 01.07.2018
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